Cat Person: Storys

2,6 Mio. Mal geteilt: »Die meistdiskutierte Story aller Zeiten.« THE GUARDIAN.

Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können?

Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen - einer Zeit, in der alles greifbar ist, und es doch immer schwerer wird, auch nur das Geringste davon zu erreichen.

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Cat Person: Storys

2,6 Mio. Mal geteilt: »Die meistdiskutierte Story aller Zeiten.« THE GUARDIAN.

Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können?

Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen - einer Zeit, in der alles greifbar ist, und es doch immer schwerer wird, auch nur das Geringste davon zu erreichen.

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Overview

2,6 Mio. Mal geteilt: »Die meistdiskutierte Story aller Zeiten.« THE GUARDIAN.

Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können?

Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen - einer Zeit, in der alles greifbar ist, und es doch immer schwerer wird, auch nur das Geringste davon zu erreichen.


Product Details

ISBN-13: 9783841216847
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 01/18/2019
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 288
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Kristen Roupenian, Jahrgang 1982, studierte afrikanische Literatur in Harvard und hat als freie Journalistin gearbeitet. Ihre Kurzgeschichte "Cat Person", im November 2017 im "New Yorker" veröffentlicht, wurde zur viralen Sensation und gilt als eine der meistgelesenen Stories aller Zeiten. Der Erzählungsband "Cat Person" ist ihr Debüt und erschien zeitgleich in 23 Ländern. Eine Verfilmung von HBO ist in Vorbereitung.


Nella Beljan hat in Bielefeld, London und Berlin Geschichts- und Literaturwissenschaften sowie Literarisches Übersetzen und Philosophie studiert. Sie arbeitet als freie Kulturjournalistin und Übersetzerin in Berlin. Ihre Lieblingsgeschichte in Kristen Roupenians Band ist "Nachtläufer".  


Friederike Schilbach studierte in München, Paris und Berlin Literaturwissenschaft. Sie arbeitet als Lektorin und lebt in Berlin. Ihre Lieblingsgeschichte in Kristen Roupenians Band ist die letzte — „Beißerin“.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Böser Junge

Unser Freund kam neulich abends bei uns vorbei. Er und seine schreckliche Freundin hatten sich getrennt. Es war bereits das dritte Mal, aber er bestand darauf, dass es dieses Mal endgültig sei. Während er in unserer Küche auf und ab ging, arbeitete er sich durch die zehntausend banalen Demütigungen und Qualen ihrer sechsmonatigen Beziehung, während wir schnaubten und uns grämten und unsere Gesichter teilnahmsvoll verzogen. Als er ins Bad verschwand, um sich zu sammeln, fielen wir uns in die Arme, als brächen wir zusammen, verdrehten die Augen und taten so, als würden wir uns erhängen oder erschießen. Einer von uns sagte, den detaillierten Tiraden unseres Freundes über die Trennung von seiner Freundin zuzuhören wäre so, als müsste man einem Alkoholiker dabei folgen, wie er sich über seinen Kater beschwert: Ja, das Leiden war echt, aber guter Gott, es war wirklich mühsam, Mitgefühl für jemanden aufzubringen, der so wenig Einsicht in die Ursachen seiner Probleme hatte. Wie lange würde sich unser Freund weiter auf schreckliche Menschen einlassen und dann erstaunt sein, wenn sie ihn furchtbar behandelten, fragten wir uns. Dann kam er aus dem Bad, und wir machten ihm seinen vierten Drink und sagten ihm, dass er zu betrunken sei, um nach Hause zu fahren, aber dafür herzlich willkommen, bei uns auf der Couch zu übernachten.

Nachts lagen wir im Bett und redeten über unseren Freund. Wir beschwerten uns darüber, wie klein unsere Wohnung war, darüber, dass wir keinen Sex haben konnten, ohne dass er uns hörte. Vielleicht sollten wir es trotzdem machen, sagten wir – so nah war er dem Ganzen wohl seit Monaten nicht gekommen (Sexentzug war eine der manipulativen Strategien der schrecklichen Freundin). Vielleicht würde es ihm ja sogar gefallen.

Als wir am nächsten Morgen aufstanden, um zur Arbeit zu gehen, schlief unser Freund noch, sein Hemd halb aufgeknöpft. Er war umgeben von zerdrückten Bierdosen, er hatte ganz offensichtlich allein weitergetrunken, nachdem wir zu Bett gegangen waren. Er sah so mitleiderregend aus, wie er dalag, dass wir uns ganz schlecht fühlten, weil wir in der Nacht zuvor so gemeine Witze über ihn gerissen hatten. Wir machten auch für ihn Kaffee, flößten ihm Frühstück ein und sagten, dass er so lange bei uns in der Wohnung bleiben könne, wie er wolle, aber als wir nach Hause kamen, waren wir trotzdem überrascht, ihn immer noch auf dem Sofa vorzufinden.

Wir bewegten ihn dazu, aufzustehen und sich zu duschen, dann luden wir ihn zum Abendessen ein und verboten ihm, im Restaurant über die Trennung zu sprechen. Im Gegenzug waren wir charmant. Wir lachten über seine Witze und bestellten eine zweite Flasche Wein und gaben ihm gute Ratschläge. Du verdienst jemanden, der dich glücklich macht, sagten wir. Eine gesunde Beziehung mit jemandem, der dich liebt, fuhren wir fort, und wir schauten einander an, im Blick die Wertschätzung für den jeweils anderen, bevor wir uns wieder mit ganzer Kraft ihm widmeten. Er hungerte wie ein trauriger kleiner Hund nach Lob und Anerkennung, und es fühlte sich gut an, zu sehen, wie sehr er sich darüber freute; wir wollten seinen samtigen Kopf streicheln, ihn hinter den Ohren kraulen und dabei zusehen, wie er sich vor Wohlbehagen wand.

Als wir das Restaurant verließen, waren wir so guter Dinge, dass wir unseren Freund wieder mit zu uns in die Wohnung einluden. Kaum waren wir da, fragte er, ob er noch einmal bei uns übernachten könne, und als wir nachhakten, gab er zu, dass er zurzeit nicht gern allein in seiner Wohnung sei, weil ihn sein Zuhause an seine schreckliche Freundin erinnere. Wir sagten, natürlich, du kannst so lange bleiben, wie du möchtest, wir haben eine ausziehbare Couch, dafür ist sie ja da. Aber hinter seinem Rücken warfen wir uns vielsagende Blicke zu, denn obwohl wir gut zu ihm sein wollten, wollten wir auf keinen Fall eine weitere Nacht auf Sex verzichten – erstens waren wir betrunken, zweitens hatte uns unsere Charmeoffensive beim Abendessen ziemlich angeturnt. Also gingen wir zu Bett, und sogar die Art, wie wir ihm Gute Nacht sagten, wies ziemlich eindeutig darauf hin, dass wir vögeln würden. Zunächst versuchten wir, nicht so viele Geräusche zu machen, aber es fühlte sich bald so an, als wäre es unsere Pflicht, leise zu sein, woraufhin wir loskicherten und uns gegenseitig ermahnten, was vermutlich lauter war, als es einfach ganz normal miteinander zu machen. Also trieben wir es, wie wir Lust hatten, und wir mussten zugeben, dass uns der Gedanke ganz schön anmachte, dass er da draußen war und uns im Dunkeln zuhörte.

Am nächsten Morgen waren wir ein wenig verlegen, aber wir sagten uns, vielleicht war es das, was er brauchte, den Schubser aus dem Nest, zurück in seine eigene Wohnung, und es könnte ihn sogar motivieren, eine Freundin zu finden, die öfter mit ihm schlief als alle zwei Monate. Aber am selben Nachmittag schickte er uns eine SMS und fragte, was wir später machen würden, und bald schon sollte er an den meisten Abenden der Woche bei uns übernachten.

Wir machten ihm Abendessen, und dann fuhren wir drei mit dem Auto irgendwohin, wir vorne, er auf dem Rücksitz. Wir witzelten, dass wir ihm Taschengeld und Aufgaben im Haushalt zuteilen würden; wir alberten weiter, dass wir unsere Telefonverträge anpassen müssten, um ihn als Familienmitglied in unseren Tarif aufzunehmen, da wir so viel Zeit miteinander verbrachten. Darüber hinaus, sagten wir, könnten wir so besser auf ihn achtgeben und ihn davon abhalten, seiner schrecklichen Ex-Freundin zu schreiben, denn obwohl sie nicht mehr zusammen waren, standen sie noch in Kontakt und er hing die ganze Zeit an seinem Telefon. Er versprach, damit aufzuhören, er schwor, er wisse, wie schlecht es für ihn sei, nur um ihr direkt wieder eine SMS zu schicken. Meist genossen wir aber die Zeit, die wir mit ihm verbrachten. Wir mochten es, ihn zu umsorgen und uns um ihn zu kümmern, wir schimpften mit ihm, wenn er so unverantwortliche Dinge machte, wie seiner schrecklichen Ex-Freundin zu schreiben oder bei der Arbeit zu fehlen, weil er die Nacht zuvor zu lange aufgeblieben war.

Die ganze Zeit über, die er bei uns wohnte, hatten wir weiterhin Sex. Tatsächlich war es der beste Sex, den wir je hatten. Es wurde zum Mittelpunkt unserer Phantasien, wir stellten uns vor, wie er sein Ohr an die Wand presste, total aufgewühlt vor Eifersucht, Erregung und Scham. Wir wussten nicht, ob das stimmte – vielleicht hielt er sich auch mit einem Kissen die Ohren zu und versuchte, uns zu ignorieren; vielleicht waren unsere Wände auch viel schalldichter, als wir dachten – aber wir taten so, als ob es stimmte, wir wagten es sogar, das Schlafzimmer zu verlassen, noch ganz rot im Gesicht und atemlos, um ein Glas Wasser aus der Küche zu holen und nachzusehen, ob er wach war. Wenn er es war (und er war immer wach), wechselten wir ein paar ungezwungene Worte mit ihm und gingen dann zurück ins Bett, um darüber zu lachen und mit noch größerer Lust ein zweites Mal zu ficken.

Wir hatten so viel Spaß an diesem Spiel, dass wir ein bisschen weiter gingen, indem wir halb nackt oder in Handtücher gewickelt herauskamen, die Tür einen Spalt weit offen ließen oder noch ein bisschen mehr. Am Morgen nach einer besonders wilden Nacht ärgerten wir ihn, indem wir ihn fragten, ob er gut geschlafen oder wovon er geträumt habe, und er schaute zu Boden und sagte: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

Der Gedanke, dass er zu uns ins Bett kommen würde, war nur eine Phantasie, aber seltsamerweise ärgerten wir uns nach einer Weile über unseren Freund, der sich so zierte. Wir wussten, wenn wir wollten, dass etwas liefe, müssten wir den ersten Schritt machen. Wir waren ihm erstens rein zahlenmäßig überlegen, zweitens war es unsere Wohnung, und drittens lief es so unter uns: Wir kommandierten ihn herum, und er tat, was wir ihm auftrugen. Zugleich nahmen wir uns einiges ihm gegenüber heraus. Wir waren ziemlich leicht reizbar, wir hackten auf ihm herum, machten ihn verantwortlich für unsere unerfüllte Begierde und zogen ihn noch mehr auf als zuvor.

Wann findest du endlich eine neue Freundin, fragten wir. Gott, es ist so lange her, das muss dich ja total verrückt machen. Du holst dir auf unserer Couch aber keinen runter, oder? Bevor wir ins Bett gingen, standen wir mit verschränkten Armen da, als wenn wir böse auf ihn wären, und sagten, du solltest dich hier besser benehmen, das ist eine schöne Couch, wir wollen morgen keine Flecken darauf haben. Wir spielten sogar vor anderen Leuten, vor allem vor hübschen Mädchen, indirekt auf diesen Running Gag an. Erzähl's ihr, sagten wir. Erzähl ihr von der Couch und wie sehr du es genießt, du genießt es doch, nicht wahr? Und er würde sich winden, schließlich nicken und sagen: Ja, ich genieße es.

Dann kam eine Nacht, in der wir alle betrunken waren, so richtig betrunken, und wir trieben unsere Witzeleien auf die Spitze und bestanden darauf, dass er es zugab: Komm schon, du machst es die ganze Zeit, richtig, du treibst es hier so richtig wild, du hörst uns zu, du Perverser, du denkst, wir wüssten das nicht? Und dann erstarrten wir für einen Augenblick, denn es war das erste Mal, dass wir es laut aussprachen: dass wir wussten, er konnte uns hören, dabei wollten wir das eigentlich noch gar nicht herauslassen. Er sagte nichts, also gingen wir ihn noch härter an – wir können dich hören, sagten wir und prosteten ihm zu, wir hören deinen schweren Atem und wie die Couch quietscht, du stehst vermutlich die halbe Nacht an der Tür und beobachtest uns, wir meinen, das ist okay, es macht uns nichts aus, wir wissen, du bist verzweifelt, aber Gott, bitte hör auf zu lügen. Dann lachten wir, eine Spur zu laut, tranken noch ein paar Shots, und dann fingen wir mit etwas Neuem an. Der Spaß bestand darin, da er uns ja ohnehin schon zigmal zugesehen hatte, dass es nur fair wäre, wenn nun wir an der Reihe wären, ihm zuzusehen. Er solle uns das einfach mal zeigen, er solle uns zeigen, was er da auf der Couch trieb, unserer Couch, wenn wir nicht dabei waren. Stundenlang, zumindest fühlte es sich so an, machten wir uns über ihn lustig, wir piesackten ihn, stichelten, hackten auf ihm herum, und er schien immer mehr die Fassung zu verlieren – aber er ging nicht, sondern blieb wie angewurzelt auf der Couch sitzen, und als er endlich den Reißverschluss seiner Jeans öffnete, fühlten wir uns wie in einem Rausch, der mit nichts zu vergleichen war. Wir schauten ihm so lange zu, wie wir es nur aushielten, taumelten dann ins Schlafzimmer und trieben es bei offener Tür, aber wir luden ihn nicht ein, näher zu kommen bei diesem ersten Mal; wir wollten, dass er uns einfach nur von draußen zusah.

Der nächste Morgen war ein bisschen peinlich, aber wir behaupteten einfach, dass wir unfassbar betrunken gewesen seien, Gott, kompletter Filmriss. Er ging nach dem Frühstück und verschwand für drei ganze Tage. Am vierten Abend schrieben wir ihm eine SMS und gingen alle zusammen ins Kino, und am fünften Abend kam er wieder mit zu uns. Wir erwähnten unsere Albereien nicht, oder was zwischen uns geschehen war, aber allein die Tatsache, dass wir erneut miteinander tranken, schien wie eine Übereinkunft, dass es wieder passieren würde. Wir tranken kontinuierlich, mit gebotenem Ernst, und Stunde um Stunde steigerte sich die Spannung wie auch unsere Gewissheit, dass er es wollte, bis wir endlich sagten: Geh ins Schlafzimmer und warte da auf uns. Als er das tat, ließen wir uns ziemlich lange Zeit, um unsere Drinks zu leeren, genossen jeden Schluck, bevor wir unsere Gläser abstellten und ihm ins Schlafzimmer folgten.

Wir stellten die Regeln auf, sagten, was er durfte und was nicht, was er berühren durfte und was nicht. Meist durfte er gar nichts: Er schaute uns zu, und manchmal erlaubten wir ihm nicht einmal das. Wir waren Tyrannen; wir fanden am meisten Gefallen daran, die Regeln aufzustellen und seine Reaktion darauf zu beobachten. Zuerst war es noch etwas seltsam Unausgesprochenes, was während dieser Nächte passierte, eine Blase, die an den Rändern des echten Lebens haftete; aber dann, ungefähr eine Woche später, stellten wir auch für tagsüber Regeln auf, die er zu befolgen hatte, und plötzlich zerbarst die Welt, wie sie war, mit einem großen Krachen, und heraus quollen lauter neue Möglichkeiten.

Am Anfang trugen wir ihm das auf, was wir ihm ohnehin schon die ganze Zeit über gesagt hatten: Steh auf, geh unter die Dusche, rasier dich, hör auf, diesem schrecklichen Mädchen zu schreiben. Aber jetzt war jede Anweisung von einem elektrisierten Knistern begleitet, einem Flimmern in der Luft. Wir stellten noch mehr Regeln auf: Er sollte shoppen gehen und schönere Kleidung kaufen, die wir ihm ausgesucht hatten. Er sollte sich die Haare schneiden. Er sollte uns Frühstück zubereiten. Er sollte den Bereich um die Couch, wo er schlief, sauber machen. Wir stellten einen genauen Tagesplan auf und unterteilten ihn in immer detailliertere Abschnitte, bis er nur noch schlief, aß oder pissen ging, wenn wir es ihm erlaubten. Das hört sich grausam an, wenn man das so liest, und vielleicht war es das auch, aber er fügte sich alldem, ohne sich zu beschweren, und für eine Weile blühte er in unserer Obhut richtig auf.

Wir liebten ihn, seinen Eifer, uns zu gefallen, und dann fing es langsam an, uns unter die Haut zu gehen. Sexuell gesehen war sein unfehlbarer Instinkt zu gehorchen frustrierend; als wir uns erst mal an dieses neue Muster gewöhnt hatten, war von der Aufregung oder Unsicherheit der ersten schwindelerregenden Nacht nichts mehr zu spüren. Bald schon begannen wir wieder, ihn aufzuziehen; wir alberten herum, dass wir wie seine Eltern seien, darüber, dass er sich wie ein Baby benahm, darüber, was ihm erlaubt war auf der Couch und was nicht. Wir fingen an, Regeln aufzustellen, die er unmöglich einhalten konnte, und verhängten kleine Strafen, wenn er diese Regeln brach. Böser Junge, zogen wir ihn auf. Sieh nur, was du angerichtet hast. Das beschäftigte uns für eine Weile. Wir waren so teuflisch kreativ mit unseren Strafen, und dann begannen auch die Strafen zu eskalieren.

Wir ertappten ihn dabei, wie er dem schrecklichen Mädchen schrieb, und dann konfiszierten wir sein Telefon. Wir stellten fest, dass er die ganze Zeit mit ihr gesimst hatte, nachdem er doch versprochen – nein, geschworen! – hatte, sie wären nicht mehr zusammen. Es war überhaupt nicht witzig, wir waren sauer, wir fühlten uns hintergangen. Wir setzten ihn an den Tisch, uns gegenüber. Sieh mal, sagten wir, du musst nicht bei uns bleiben, wir halten dich hier nicht fest, geh zurück in deine Wohnung, wenn du möchtest, ernsthaft, uns ist das verdammt noch mal scheißegal.

Es tut mir leid, sagte er, ich weiß, sie tut mir nicht gut, sie ist nicht das, was ich will. Er weinte. Es tut mir leid, sagte er erneut, bitte, schickt mich nicht weg.

Okay, sagten wir, aber was wir dann in dieser Nacht mit ihm machten, war selbst für uns zu viel, und am nächsten Morgen waren wir von uns selbst angeekelt und fühlten uns bei seinem Anblick elend. Wir sagten ihm, er solle nach Hause gehen und wir würden ihn wissen lassen, wenn wir wieder mit ihm reden wollten.

Sobald er gegangen war, langweilten wir uns aber so sehr, dass wir es kaum aushielten. Ganze zwei Tage verbrachten wir so. Aber ohne ihn, der uns zuschaute, fühlten wir uns so sinnlos und leer, es war fast, als würden wir gar nicht existieren. Wir verbrachten die meiste Zeit damit, über ihn zu sprechen, wir spekulierten darüber, was wohl nicht mit ihm stimmte, über all die Dinge, deretwegen er so kaputt war, und dann versprachen wir einander, wenn wir das jetzt durchziehen würden, wie auch immer das aussah, würden wir es respektvoll angehen, mit regelmäßigen Gesprächen und Safewords und polyamourösen Treffen. Und am dritten Tag sagten wir ihm, dass er wieder zu uns kommen solle. Wir hatten nichts als gute Absichten, aber wir waren so lächerlich höflich miteinander und fühlten uns dermaßen unwohl, dass schließlich der einzige Weg, diese Spannung aufzulösen, darin bestand, ins Schlafzimmer zu gehen und all die Dinge zu wiederholen, die uns drei Tage zuvor so angewidert hatten.

Danach benahmen wir uns noch schlimmer. Er war wie ein glitschiges Etwas, das wir in unseren Händen gefangen hielten, und je fester wir zudrückten, desto mehr davon quoll uns durch die Finger. Wir jagten nach etwas in ihm, das uns aufputschte, aber wie Hunde wurden wir ganz verrückt von dem Geruch. Wir experimentierten ein wenig – mit Schmerzen und blauen Flecken, Fesseln und Sexspielzeug – und danach brachen wir in einem Durcheinander von feuchten Gliedmaßen zusammen, alle ineinanderverschlungen wie der Müll, der nach einem Sturm an den Strand geschwemmt wird. Ein eigentümlicher Frieden herrschte in diesen Momenten, das Schlafzimmer still bis auf unseren sich verlangsamenden überlappenden Atem. Aber dann verbannten wir ihn aus dem Zimmer, damit wir allein sein konnten, und schon bald kam der dringliche Wunsch, ihn erneut zu brechen, wieder in uns auf. Egal, was wir taten, er würde uns nicht davon abhalten, er würde niemals, niemals Nein sagen.

(Continues…)


Excerpted from "Cat Person"
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