Das kleine Haus am Deich: Ein Nordsee-Roman

Das kleine Haus am Deich: Ein Nordsee-Roman

by Lurleen Kleinewig
Das kleine Haus am Deich: Ein Nordsee-Roman

Das kleine Haus am Deich: Ein Nordsee-Roman

by Lurleen Kleinewig

eBook1. Auflage (1. Auflage)

$4.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

Das Glück wartet hinterm Deich
Die 34-jährige Róisín, halb Irin, halb Ostfriesin, steht vor den Scherben ihrer Ehe. Von einem Tag auf den anderen hat ihr Mann ihr eröffnet, dass er sie nicht mehr liebt. Zum Glück kennt ihr bester Freund Sean die Lösung für den Neuanfang: Er vermietet Róisín und ihren Katzen sein winziges Häuschen mit verwildertem Garten in Ostfriesland. Das Minihaus, wie sie es tauft, ist der einzige Lichtblick in ihrem tristen Alltag. Um Róisín auf andere Gedanken zu bringen, stellt Sean ihr seinen attraktiven Kumpel Enda vor. Der ist gebürtiger Ire und hat gerade einen alten Hof in der Nähe gekauft, auf dem er Pferde gewaltfrei ausbilden möchte. Mit Endas Hilfe lernt Róisín das Leben wieder zu schätzen. Doch obwohl die beiden von Anfang an eine besondere Vertrautheit verbindet, ist Róisín sich nicht sicher, ob sie es schafft, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und ihr Herz neu zu öffnen …
Meinungen zum Buch:
In einem wunderschön beschriebenen Ostseefleckchen begleiten wir eine junge Frau auf ihrem Start in ein neues Leben. Mit viel Witz geschrieben. Ein leichter Liebesroman, perfekt zum Abschalten! (Buchhändlerin auf NetGalley)
Was ich an dem Buch besonders mag ist dass es, ohne ins Triviale abzugleiten, eine gute Mischung aus Unterhaltung, Seichtheit und Tiefgang bietet. Es spielt mit Klischees all der Liebesromane, die wir kennen, oft gelesen und immer wieder schön! Doch werden auch gesellschaftskritische Themen angeschnitten. Veganismus, Tierschutz - das sind Dinge, die der Autorin offenbar sehr am Herzen liegen und sie hat sie wunderbar und ohne erhobenen Zeigefinger eingeflochten, das gefällt mir sehr. Es sind oft die leisen Töne, die uns nachdenklich werden lassen. (Rezensentin auf Amazon)
Kurzweiliges Lesevergnügen mit Herz! Die Protagonistin hat mich sofort mit ihren Höhen und Tiefen überzeugt. Mit dem Trennungsschmerz einer gescheiterten Beziehung haben viele Frauen ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, ich habe sehr mit Róisín mitgefühlt. (Rezensentin auf Amazon)


Product Details

ISBN-13: 9783958184107
Publisher: Forever
Publication date: 01/07/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 248
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Lurleen Kleinewig, geboren 1975 im niedersächsischen Langenhagen, ist seit ihrer Kindheit von Pferden fasziniert. Bereits als Teenagerin schrieb sie ihr erstes Manuskript für einen Roman, in dem sie ihre Leidenschaft für Irland zum Ausdruck brachte, die sie bis heute nicht losgelassen hat. Nach einem Studium der Germanistik und Anglistik wechselte sie zum Tourismus und bewarb jahrelang ihre Wahlheimat Ostfriesland als Feriengebiet. Sie blieb ihrer Liebe zum Lesen und Schreiben treu, betrieb einen Blog und veröffentlicht als Hobbyautorin regelmäßig Fachartikel in einem lokalen Tierschutzmagazin. Sie lebt heute mit sechs Katzen und einem Pferd in ihrem eigenen "Minihaus" im Nordharz.

Lurleen Kleinewig wurde im niedersächsischen Langenhagen bei Hannover geboren und war schon als Kind von Pferden fasziniert. Als Teenagerin schrieb sie ihr erstes Manuskript für einen Roman. Nach einem Studium der Germanistik und Anglistik wechselte sie zum Tourismus und bewarb jahrelang ihre Wahlheimat Ostfriesland als Feriengebiet. Lurleen ist vernarrt in gutes veganes Essen, Irland und das Meer, das in ihren Geschichten immer eine Rolle spielt. Sie lebt heute mit vier Katzen in ihrem eigenen »Minihaus« im Nordharz.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Ich heiße Róisín. Das ist irisch und bedeutet »kleine Rose«. Ich bin vierunddreißig, halb Irin, halb Ostfriesin, und mein Leben – oder zumindest der Teil davon, der meine Ehe betrifft – ist nur noch ein Haufen Schrott und Asche.

Als ich ungefähr fünf war, war das mein Lieblingsausdruck. Wenn etwas kaputtging oder mir nicht mehr gefiel, dann nannte ich es »Schrott und Asche«. Dass meine eigene Ehe irgendwann ein Schrotthaufen sein würde, wäre mir als Kind glücklicherweise nie in den Sinn gekommen. Jedenfalls, das ist die Kurzfassung.

Mittlerweile gibt es den einen oder anderen Silberstreif am Horizont, womit ich schon fast nicht mehr gerechnet hätte. Vielleicht ist auch bloß genügend Zeit vergangen, die ja angeblich alle Wunden heilt. Ha! Was für ein zynischer Schwachsinn. Ich behaupte, Zeit macht es höchstens leichter, mit den Wunden zu leben. Weil man sich an sie gewöhnt. So sieht's aus.

Vor einer Woche bin ich in ein winziges Haus mit einem verwilderten Garten gezogen, das ich unbegreiflicherweise mieten konnte. Unbegreiflich deshalb, weil ich in der Regel nicht so viel Glück habe. Wenn man sich etwas schon sehr lange wünscht und es nie bekommt, dann hört man irgendwann auf, an die Erfüllung dieses Wunsches zu glauben. Desillusioniert ist das richtige Wort dafür, schätze ich. Desillusioniert ist mein Wort! Und nun ist das Wunder wahr geworden: Simsalabim, da ist das Häuschen, ganz für mich allein. Obwohl der Plan eigentlich immer auch den dazu passenden Ehemann vorsah. Aber anscheinend kann ich nicht beides haben.

Das Universum hat echt einen seltsamen Humor. Wenn es dir etwas wegnimmt, gibt es dir dafür etwas anderes. Nicht unbedingt exakt das, was du dir in diesem Moment erträumst, aber immerhin. Friss oder stirb, und dann mach das Beste draus.

Das Haus gehört einem Freund von mir namens Sean. In den vergangenen Jahren hatte ein älteres Ehepaar darin gelebt, doch die beiden waren vor Kurzem ins Altersheim übergesiedelt. Zurück blieben reichlich verwohnte, nikotingelbe Räume und ein alter Kater, der im Geräteschuppen hauste und mich von der ersten Sekunde an mied wie der Teufel das Weihwasser.

»Tu mir einen Gefallen«, bat Sean mich bei der ersten Besichtigung, als ich mit großen Augen die schiefen Wände, das tiefgezogene Dach und den in Pink- und Lilatönen blühenden Garten bestaunte. »Stell es dir vor, wie es aussieht, wenn ich hier erst mal eine Putzkolonne und die Maler durchgejagt habe, ja? Ich brauche jemanden, der sich ein bisschen um das Haus kümmert. Und um den Garten natürlich. Der alles in Schuss hält. Die beiden Alten haben am Ende überhaupt nichts mehr getan außer im Sessel zu sitzen und wie die Schlote zu qualmen. Kaum zu glauben, dass sie überhaupt noch leben.«

Er verzog säuerlich das Gesicht, während mein Herz einen Luftsprung machte und jubelte. Zum ersten Mal seit ich weiß nicht wann fühlte ich etwas anderes als Traurigkeit oder Wut. Euphorie, das traf es ziemlich gut.

Aufgeregt wandte ich mich an Sean: »Ich nehme es. Mach mir einen vernünftigen Preis, und ich miete es auf der Stelle!«

Jetzt war es an Sean, mich erstaunt anzustarren. »Den auch?«, fragte er und zeigte auf den struppigen schwarz-weißen Kater, der gerade durch den Garten schlich und dabei einen möglichst großen Bogen um uns schlug. Sein Blick drückte abgrundtiefe Verachtung aus.

»Natürlich«, erwiderte ich ungeduldig. »So ein altes Tier kann man doch nicht mehr umsiedeln.«

Ich war vernarrt in Katzen. Mein eigener Bestand war vor Kurzem von fünf auf drei Tiere geschrumpft – ein weiterer trauriger Meilenstein in einem durch und durch beschissenen Jahr. Zwei Katzen innerhalb von acht Wochen unerwartet zu verlieren, war an sich schon mehr, als ein Mensch ertragen konnte, aber im Kielwasser meiner kürzlich gescheiterten Ehe brachte es mich fast um den Verstand. Mein Leben fiel in sich zusammen wie eine Sandburg. Einer nach dem anderen schien mich zu verlassen.

Aber ich bekam mein Haus. Das Minihaus, wie ich es im Stillen taufte, gerade mal sechzig Quadratmeter groß. Das hielt mich aufrecht. Auf meine Bitte hin ließ Sean es drinnen komplett weiß streichen. Die alten Fußbodendielen bekamen eine Generalüberholung, ebenso das Badezimmer, das eindeutig noch aus den Siebzigern stammte. In die lila Kacheln an den Wänden war ich sofort verknallt und verbot Sean, sie anzurühren. Dafür kümmerte er sich höchst selbst um tropfende Wasserhähne und undichte Fenster. Und schließlich war es so weit: Ich konnte einziehen.

Dass ich zuvor die riesige Altbauwohnung, die ich jahrelang gemeinsam mit meinem Mann bewohnt hatte, quasi im Alleingang auflösen musste, verschwieg ich Sean. Ebenso, dass jedes Treffen mit meinem Ex in Geschrei und Tränen endete. Vermutlich konnte er sich das selbst zusammenreimen.

Dabei gab es nicht mal Streit um Möbel, Bücher oder Küchengeräte. Wir konnten einfach nicht mehr miteinander reden, und das war eigentlich das Schlimmste. Wenn ich Marco vorwarf, dass er sich fernhielt und mir die Drecksarbeit überließ, brüllte er mich an, dass er meine ewigen Anschuldigungen satthätte. Und schon steckten wir mitten in der schönsten Grundsatzdiskussion. Es war wie ein Albtraum.

Die Organisation meines eigenen Umzugs hatte mich meine letzte Kraft gekostet. Ich schaffte es gerade noch, einen Heulkrampf abzuwenden, als sich nach der letzten Möbelfuhre Kisten und Kartons unter freiem Himmel türmten und sich ein Wolkenbruch ankündigte. Im Minihaus war nicht mehr genügend Platz, und das war im wahrsten Sinne des Wortes der Tropfen, der das Fass – beinahe – zum Überlaufen brachte.

Sean, der wie meine Schwester und einige wenige alte Freunde zum Helfen gekommen war, sah meinen verzweifelten Gesichtsausdruck und stellte sich mir in den Weg. »Hey«, sagte er eindringlich. »Es ist nur Wasser! Alles halb so wild.«

Ich starrte ihn an und fragte mich, was zur Hölle ich hier eigentlich tat. Ich wollte das alles nicht. Ich wollte nicht allein in diesem Haus leben, nicht ohne meinen Mann. Ich hatte das wilde Bedürfnis, alles rückgängig zu machen, damit mein Leben wieder war wie früher.

Stattdessen musste ich es durchziehen. Diesen mörderischen Tag hinter mich bringen. Ich hatte keine Wahl; es gab keinen Ausweg, kein Schlupfloch zurück in die Vergangenheit. Das Ganze war so endgültig wie der Tod, und ich war nur einen Atemzug davon entfernt, zusammenzubrechen und zu brüllen wie ein sterbendes Tier. Aber irgendwie schaffte ich es, mich noch einmal am Riemen zu reißen. Wahrscheinlich war es nur der Anwesenheit meiner Helfer zu verdanken, dass ich durchhielt.

Der Umzug war nun eine Woche her. Ich hatte mich beruhigt und meine Nerven wieder einigermaßen im Griff. Der Gedanke, allein im Minihaus zu wohnen, verursachte mir keine Erstickungsanfälle mehr. Es war Samstagmorgen, die Sonne schien, und ich hatte ein langes freies Wochenende vor mir, das ich ganz in Ruhe beginnen wollte.

Mit einem Pott Kaffee in der Hand und noch im Nachtshirt schlurfte ich durch die Hintertür auf die Terrasse hinaus und ließ mich in einen der alten Holzstühle fallen, die noch von den Vormietern stammten. Es war Anfang Juni und herrlich warm. Ich schloss die Augen und kostete ein paar Minuten lang den unglaublichen Luxus aus, dass ich hier in meinem eigenen Garten hinter meinem eigenen Haus sitzen und tun und lassen konnte, was ich wollte. Auch wenn alles nur gemietet war – das Minihaus schien auf mich gewartet zu haben. Es war wie für mich gemacht.

Hierfür würde ich Sean ewig dankbar sein, selbst wenn ich noch vor einer Woche ganz und gar nicht den Anschein erweckt hatte. Als ich ihm das sagte, wollte er nichts davon hören.

»Wir Iren müssen zusammenhalten«, hatte er auf Englisch im breitesten Kerry-Dialekt genuschelt und mir grinsend auf die Schulter geklopft. Doch ich wusste, dass er es nicht nur deswegen getan hatte. Sean war eine gute Seele, auch wenn man das hinter seiner robusten, rotblonden Paddy-aus-Irland-Fassade nicht unbedingt vermutete. In Wahrheit hieß er auch gar nicht Sean, sondern Sven und war ein waschechter Ostfriese, aber dazu später mehr.

Ich kannte ihn erst seit einem guten halben Jahr. Damals hatte er gerade die reichlich heruntergekommene Kneipe im alten Bahnhof übernommen und einen zünftigen irischen Pub daraus gemacht, in dem ich mich nach der Trennung von Marco jedes Wochenende systematisch volllaufen ließ. Dabei kam ich mit Sean ins Gespräch. Er konnte es kaum fassen, mitten in der ostfriesischen Provinz eine echte Irin – na ja, Halbirin – zu treffen.

Wir hatten einander unsere verworrenen Familiengeschichten erzählt, während er Bier zapfte und ich mich meinem Wodka-O widmete. Und auch als ich mein Leben wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass ich mich nicht mehr jeden Samstagabend bis kurz vorm Filmriss betrank, hatte ich die Gewohnheit beibehalten, Sean mindestens einmal die Woche im Pub zu besuchen. Er gab mir ein leises Gefühl von Geborgenheit, so als würde ich bei einem Familienmitglied im Wohnzimmer sitzen und über die Ereignisse der Woche plaudern.

Ein unwirsches, lang gezogenes Maunzen unterbrach meine Gedanken. Ich blickte auf und entdeckte den alten schwarz-weißen Kater der Vormieter, den ich Fred getauft hatte. Er stand nur zwei Meter von meinem Gartenstuhl entfernt und starrte mich missbilligend an. Mittlerweile hatte er zwar begriffen, dass er bei mir gefüttert wurde wie ein König, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich ihn anfassen durfte. Im Gegenteil, seinem Blick nach zu urteilen hielt er mich für eine niedere Spezies, gerade gut genug, ihm erlesene Speisen zu kredenzen. Ich vergötterte ihn jetzt schon.

»Hi, kleiner Opa. Du kannst doch nicht schon wieder Hunger haben?«

Da ich wusste, dass er sein misstönendes Altmänner-Miauen erst einstellen würde, wenn ich seinen Futternapf frisch gefüllt hatte, schnappte ich mir meinen leeren Kaffeepott und begab mich in die Küche, um uns beide zu versorgen. Der Kater folgte mir bis zur offenen Hintertür und blieb dort stehen. Freiwillig setzte er keinen Fuß ins Haus, aber ich wusste, das konnte sich noch ändern. Vorläufig hatte ich ihm in einer geschützten Ecke der Terrasse einen Futterplatz eingerichtet. Auch sein altes Lager im Geräteschuppen hatte ich durch neue Schlafplätze ersetzt, inklusive eines luxuriösen Katzenbettchens auf der ehemaligen Werkbank unter dem Fenster. Dort lag Fred gern in der Sonne und hielt Hof, wie ich beobachtet hatte.

Meine eigenen drei Katzen Hilde, Wilma und Leli lungerten wie zufällig in der schmalen Küche herum. Sie belagerten die beiden Fensterbänke und starrten immer wieder misstrauisch nach draußen, weil sie den Feind in Form von Fred im Auge behalten wollten. Vor die Tür traute sich keine von ihnen, aber lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie der Versuchung nachgaben.

Ich war schon immer eine »Crazy Cat Lady« gewesen. Da wiederholt Katzen aus dem Tierschutz bei mir hängen blieben, die keine Chance auf Vermittlung hatten, wuchs ihre Anzahl im Laufe der Jahre. Marco fand meinen Katzenfimmel stets ein bisschen übertrieben. Für ihn hätte es auch eine Katze im Haushalt getan, alles andere hielt er für spleenig.

Marco hasste es, aus der Reihe zu tanzen. Alles, was abwich von dem, was gemeinhin als normal galt, war ihm ein Gräuel. Doch in diesem Punkt ließ ich nicht mit mir reden. Heute war ich froh, seinem Gemurre nie nachgegeben zu haben, denn ohne meine pelzigen Seelentröster hätte ich unsere Trennung nicht überlebt.

Nachdem ich den Kater gefüttert und mir selbst frischen Kaffee gemacht hatte, setzte ich mich mit dem Handy an den Küchentisch, um eine Einkaufsliste zu schreiben. Es war schon fast elf Uhr, und ich hatte noch nicht mal geduscht; der Kühlschrank war so gut wie leer, und ich musste noch in den Baumarkt. Am Abend wollte ich dann bei Sean im Pub vorbeischauen.

Ganz automatisch und ungefähr zum hundertsten Mal an diesem Tag öffnete ich WhatsApp, um nachzuschauen, ob Marco mir in der Zwischenzeit geschrieben hatte. Keine neuen Nachrichten – was ich längst wusste, denn ich hätte sie sonst natürlich in der Vorschau auf dem Display entdeckt. Dieses ständige Nachsehen war wie ein Zwang und frustrierte und deprimierte mich gleichermaßen. Genervt legte ich das Handy auf den Tisch und ging duschen, um mich abzulenken und endlich etwas Produktives zu tun.

Es war über sechs Monate her, seit mein Mann mich verlassen hatte, und ich war nicht mal annähernd bereit zu akzeptieren, dass es wirklich endgültig aus war zwischen uns. Ehrlich gesagt, konnte ich noch immer nicht fassen, dass wir überhaupt getrennt waren. Dass unsere Ehe, unsere Beziehung so ganz und gar hatte schiefgehen können.

Wenn ich mich zurückerinnerte, war unsere Liebe einmal so groß gewesen wie das Universum. Und ebenso einzigartig. Sie konnte nicht einfach tot und vergangen sein. Zumindest weigerte ich mich, das zu glauben. Wir hatten noch nicht über Scheidung gesprochen. Dieses Thema mieden wir beide, wenn auch vermutlich aus unterschiedlichen Gründen. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst war, was selten geschah, gab es nicht das kleinste, nicht das geringste Anzeichen dafür, dass Marco beabsichtigte, zu mir zurückzukehren.

»Ich liebe dich nicht mehr«, hatte er an einem Abend im vergangenen Herbst zu mir gesagt, nachdem er mir eröffnet hatte, dass er darüber nachdachte, sich von mir zu trennen. Er klang halb resigniert, halb verzweifelt. »Schon lange nicht mehr. Diese Ehe ist wie ein Gefängnis. Ich langweile mich und fühle mich eingesperrt. Offen gestanden will ich nur noch weg.«

Aber ich liebe dich noch, wollte ich ihm ins Gesicht schreien, doch ich bekam keinen Ton heraus, weil seine Worte so furchtbar wehtaten und ich nicht glauben konnte, dass er wirklich meinte, was er sagte. Es war unmöglich, dass er mich nicht mehr liebte. Wir waren Seelenverwandte. Unsere Liebe war unzerstörbar. Wir hatten vor zehn Jahren geheiratet, weil wir beide es aus ganzem Herzen wollten.

Und doch war es ihm ernst. Er war nicht mit Absicht grausam, doch er hatte sich längst von mir entfernt, und ich hatte es nicht bemerkt. Oder die Augen davor verschlossen. Wie sonst hatte es so weit kommen können? Ich hätte bis zum letzten Atemzug um unsere Ehe gekämpft, denn ich konnte und wollte nicht ohne ihn leben. Allein der Gedanke löste Panik in mir aus. Wenn er mich verließ, würde ich sterben. Ich war bereit, alles zu ändern, und damit meinte ich wirklich alles. Aber er wollte nicht. Nicht mehr. Ungefähr sechs Wochen und zahllose Streits später, inklusive nächtlicher Diskussionen, halbherziger Annäherungsversuche und dramatischer Szenen, zog er aus.

Seit er fort war, herrschte in meinem Inneren eine Art Ausnahmezustand, der einfach nicht enden wollte. Die irrationale, emotional gesteuerte Róisín benahm sich wie eine angekettete Verrückte: Sie wand sich, lärmte, argumentierte wirr und weigerte sich eisern, ihre Situation zu akzeptieren.

Dieser Zustand zerstörte mich. Er fraß mich bei lebendigem Leib auf, doch es gab nichts, was ich tun konnte, um ihn zu beenden. Die Sehnsucht nach Marco behielt Tag und Nacht die Oberhand. Ich wollte ihn um jeden Preis zurückhaben, denn ohne ihn an meiner Seite war mein Leben nichts wert. Ich war nichts wert. Davon war ich felsenfest überzeugt.

Es wurde kein guter Tag. Beim Einkaufen traf ich ein Paar aus Marcos und meinem Freundeskreis. Ich erstarrte förmlich zur Salzsäule, als ich die beiden entdeckte – und sie mich. Mit Begegnungen dieser Art konnte ich zurzeit nicht besonders gut umgehen, weil sie mich zu sehr an die Vergangenheit erinnerten und an das, was nicht mehr war. Hinzu kam, dass ich mich verstellen und gute Miene zum bösen Spiel machen musste, wenn ich die Form wahren wollte. Das ging eindeutig über meine Kräfte.

»Rosh, Mensch, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Du siehst toll aus ... und dünn bist du geworden ... Wahnsinn. Ich freue mich!« Nina ging sichtlich auf in der Rolle der überschwänglichen und gut gelaunten Freundin, die sich wahnsinnig freute.

Am Arsch, dachte ich. Du hast dich ein beschissenes halbes Jahr lang nicht ein einziges Mal bei mir gemeldet.

»Tja.« Ich gab mir Mühe, mein Lächeln nicht allzu gequält und meine Stimme nicht gekünstelt klingen zu lassen, auch wenn sie sich irgendwie schrill anhörte. »Ich nenne es ›die Trennungsdiät‹. Damit wirst du ruckzuck zehn Kilo los!« Na ja, eigentlich waren es nur neun gewesen. An dieser Stelle jedenfalls bitte fröhlich lachen – nein, das klang eher nach einer Kettensäge. Zumindest reichlich hysterisch. Ich musste hier weg.

Aber Nina drehte nun richtig auf. Nach einer Schrecksekunde, in der sie verstummte, weil ich das Wort »Trennung« in den Mund genommen hatte, fuhr sie übergangslos fort, mich mit einem Wortschwall zu überschütten. Verlegenheitsgequatsche hätte ich es an einem besseren Tag vermutlich genannt, aber heute widerte mich ihr demonstrativ munteres Geplauder einfach nur an. Ihr Mann Jannik stand die ganze Zeit stumm daneben und tat so, als sähe er mich zum ersten Mal. Jedenfalls hätte er nicht teilnahmsloser sein können.

Nach einigen schier endlosen Minuten, angefüllt mit belanglosem Blabla und einsilbigen Antworten meinerseits, war ich erlöst.

(Continues…)


Excerpted from "Das kleine Haus am Deich"
by .
Copyright © 2019 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
Excerpted by permission of Ullstein Buchverlage.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews