Der Papst, die Prophezeiung und das Nest der Waschbären: Kriminalroman

Der Papst, die Prophezeiung und das Nest der Waschbären: Kriminalroman

by Peter Simon
Der Papst, die Prophezeiung und das Nest der Waschbären: Kriminalroman

Der Papst, die Prophezeiung und das Nest der Waschbären: Kriminalroman

by Peter Simon

eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

An einem heiteren Augustmorgen findet man Papst Petrus II. erschossen in den Vatikangärten. Man will nicht, dass sich fremde Schnüffler in die Angelegenheiten des Kirchenstaates einmischen und lehnt italienische Ermittler ab. Aber ohnehin interessieren sich außer Testa, Sekretär des Papstes, nur wenige für den Täter. Die Kardinäle sind vollauf damit beschäftigt, Aufbahrung und Totenmesse pompös auszurichten und sich vor allem im Machtkampf um die Nachfolge zu behaupten. Könnte sich der Mörder unter ihnen befinden? Monsignore Testa kommt nicht weiter, was auch daran liegt, dass er zum ersten Mal verliebt ist. Da beginnt Schwester Assunta, Haushälterin des Papstes, ein wenig Miss Marple zu spielen … Ein ebenso spannender wie amüsanter Roman, von erfrischender Respektlosigkeit, wie sie nur die intime Kenntnis des Schauplatzes hervorbringt.


Product Details

ISBN-13: 9783841216557
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 08/17/2018
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 220
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Peter Simon (Pseudonym) studierte an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Er ist promovierter Theologe, ehemaliger Priester und schaut auf eine langjährige Tätigkeit im Vatikan zurück.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Er lag einfach da.

In den Gärten des Palastes, auf einem frisch geharkten Weg.

Nicoletti ruhte zwischen Rosenbeeten, im vierten Jahr nun gelb statt rot, unter einem von Klematis überwachsenen Bogen im älteren Teil des Parks, drei Steinwürfe vom Dom.

Auf dem Weg war kein bisschen Unkraut zu sehen, da nichts Unordentliches den Heiligen Vater bei seinen Spaziergängen ablenken sollte. Nur der Körper beeinträchtigte das Bild.

Noch störender wirkte, dass es der Papst war, der da lag.

Allerdings sah Petrus II. so gut aus wie immer. Nicoletti machte tatsächlich nicht nur auf Nonnen Eindruck, wie Kardinal de Valmy, Dekan des Kollegiums, jedem anvertraute, der es nicht hören wollte.

Der Papst schien friedlich eingeschlafen.

Der Privatsekretär war kurze Zeit im Zweifel gewesen, ob der Heilige Vater nicht nur aus Erschöpfung niedergesunken war.

Monsignore Testa, Prälat Seiner Heiligkeit, war gegen acht Uhr losgegangen, um den Papst zu suchen. Dieser hatte sich auf dem Spaziergang verspätet, den er jeden Morgen nach der Heiligen Messe und dem Frühstück machte. Da der erste Termin des Samstags, eine Audienz für Kardinal O'Duffy, den eben ernannten Chef der Finanzen, verstrichen war, eine für diesen Papst ungewöhnliche Unhöflichkeit, war Testa die Wege abgeschritten, von denen er wusste, dass Petrus II. sie liebte.

In Höhe des Gouverneurspalastes war ihm Volterra begegnet.

»Morgen, Monsignore, Morgen«, hatte der Gendarm gerufen. Er kam sich wichtig vor, weil er Mitglied des vatikanischen Corpo di Vigilanza war und ab und zu die Aufsicht in einem Abschnitt der Neuen Gärten hatte.

»Wie geht es denn? Haben Sie gesehen, Herr Prälat?«

»Gut, immer besser!«

Testa hatte keine Lust, von dem Mann ins Gespräch gezogen zu werden. Volterra war ihm ein Stück nachgelaufen. Es schien ihm ernst gewesen zu sein.

Als Testa den Schritt beschleunigt hatte, um dem fetten Gendarmen zu entkommen, hatte er beiläufig das Papstwappen wahrgenommen, das vor dem Gouverneurspalast prangte.

Das Gebilde war kaum zu übersehen gewesen, ein Gemisch aus weißgelben Blumen. Unästhetisch das Ganze, nicht im Sinn des Gartenliebhabers Petrus II., doch die Frucht vieler Überstunden.

Die Gärtnerei legte sich ins Zeug. Das Wappen machte Arbeit. Das Kreuz und der simple Buchstabe M, mit dem Johannes Paul II. sein Wappen hatte gestalten lassen, waren ein Kinderspiel gewesen im Vergleich mit den Ansprüchen des regierenden Papstes: Krone, Zacken, Raute, Schild, ein Tier in Gold, das einem Einhorn auf drei Beinen ähnlich sah. Man hätte meinen können, die Nicoletti seien keine Tischler, sondern von Wappenadel gewesen.

»Mein Gott!«

Fast wäre Testa über den Papst gestolpert.

»Heiligkeit! Was ist?«

Da Petrus II. stumm blieb, versuchte der Sekretär, voller Ehrfurcht, den Oberkörper des Liegenden anzuheben. Wie sich herausstellte, war der Heilige Vater nicht ohnmächtig. Blut fand sich zwar wenig, doch oberhalb der rechten Schläfe ein Loch.

Testas Arme gaben nach, der Kopf des Papstes kippte nach hinten, ein Auge öffnete sich, und der Erschossene schaute dem Sekretär von unten ins Gesicht.

Testa ließ den Toten fallen. Die Leiche hatte sich, durch das leichte Tuch des Talars hindurch, unerwartet lebendig angefühlt, lauwarm, beweglich, beseelt, für Sekunden eine verwirrende Empfindung, die der Prälat nicht vergessen würde.

Er legte seine Hände ineinander. Es war ihm, als flösse aus der Verbindung der Finger Stärke. Er würde sie brauchen können. Gern hätte er gebetet.

Nun war es doch geschehen.

»Eigentlich«, hatte der Papst vor Monaten gemeint, als sie unter den Platanen spazierengegangen waren, »eigentlich sind die Gärten unsicher.«

»Aber, Heiligkeit, ich weiß nicht ...«

»Falls ein Attentat geplant ist, dann nicht wie bei Karol Wojtyla auf dem Petersplatz«, hatte Petrus II. hinzugefügt.

»Schrecklich, was soll ich ...?«

»Sondern in diesem Park. Hier gibt es keinen Schutz. Bei uns steht nicht hinter jedem Baum ein Mann vom Wachdienst wie im Weißen Haus. Der Garten ist vor allem weiter oben unübersichtlich, in der Nähe der Lourdesgrotte, an der Mauer Leos IV.«

»Meinen Sie? Leo IV.?«

»Der fürchtete die Sarazenen.«

»Vor tausend Jahren.«

»Oder im Nordteil«, hatte der Papst gesagt, »hinter der Akademie, beim Casino Pius' IV., beim Turm Johannes' XXIII. Und so fort.«

Testa hatte sich umgeschaut. Die Päpste hatten häufig auf- und umgebaut, ohne sich um die Sicherheit zu kümmern.

»Die Mauern und Türme waren brauchbar«, Petrus II. hatte gelächelt, »als wilde Reiter den Palast einnehmen wollten.«

Die Worte des Papstes hatten wie ein Zitat geklungen.

»Gegen die Waffen von heute bieten sie keinen Schutz.«

»Gibt es einen besseren Platz? Mehr Sicherheit als im Garten?« Testa hatte verlegen an seinem Talar gezupft.

»Unwahrscheinlich, dass wir von Hubschraubern angegriffen werden«, hatte ihn der Heilige Vater getröstet. »Daher käme nur das Dach in Frage. Das finde ich unpassend.«

Mehr hatte Petrus II. nicht gesagt. Vielleicht wollte er keinen Vorgänger kritisieren.

Den Dachgarten hatte Paul VI. vor Jahrzehnten anlegen und mit Steineichen bepflanzen lassen. Wozu aber brauchte einer, der über die grandiosen Vatikanischen Gärten verfügen konnte, noch einen gesonderten Park? Auf dem Dach des Palastes?

Auch der Swimmingpool, den polnische Katholiken aus den USA seinem Vorgänger geschenkt hatten, war Petrus II. ein Ärgernis. Nicoletti hatte den Kopf geschüttelt, als er in der Sommerresidenz Castelgandolfo den marmorgesäumten und mit handgeformten olivgrünen Kacheln ausgestatteten Pool sah.

»Zwölf mal fünfundzwanzig Meter! Für einen einzigen Menschen!«

Es wäre ihm nicht eingefallen, ein solches Privatbad zu nutzen.

»Wünschen Heiligkeit auch beim Spaziergang einen Bodyguard? Den Arzt? Den Notkoffer?« hatte Testa gefragt.

»Statt der Schweizer die Argyll and Sutherland Highlanders? Oder ein paar schlagkräftige Marines? Die GSG 9 der Deutschen?«

Der Privatsekretär hatte gefühlt, dass er eine Lektion bekam.

»Ich brauche keine Wache. Und erst recht keinen Geheimdienst. Ich möchte nicht dauernd kontrolliert werden. Ein Papst will auch mal allein sein. Im übrigen, Monsignore, ist mein Leben in Gottes Hand. Er allein bestimmt, wann es zu Ende ist.«

Testa hatte diesen Sätzen damals wenig Bedeutung zugemessen. Jetzt fühlte er sich überfordert. Er hatte Finsternis, Blitz und Donner mit seinen Vorstellungen von einem Mord verbunden, eine gespenstische Stimmung, eine Inszenierung wie bei Lady Macbeth persönlich, bluttriefende Hände, Dolche, Schreie.

Und nun, im Angesicht eines der großen Verbrechen der Kirchengeschichte, Ruhe, himmlisch heiteres Wetter, ein Garten, der still in der Morgensonne blühte. Offenbar wollte Gott den gewaltsamen Tod des Stellvertreters Christi auf Erden nicht noch mit düsteren Wolken begleiten.

Der Himmel blieb blank.

Testa hatte sich das Ende eines Lebens, wenn überhaupt, geruhsam gedacht. Aus der Distanz des jungen Klerikers, die seiner Predigt Gemütsruhe garantierte, hatte er den Tod, wie Theologen anrieten, mit dem Erlöschen einer herabgebranntenKerze verglichen. Oder, eine weitere Lesefrucht, mit dem Stich einer Mücke, die lange auf dich gelauert hat und startet, kaum hast du das Licht am Bett gelöscht.

Nun aber hatte der Tod ohne Vorwarnung sein Gesicht gezeigt. Jetzt war nicht nur eine entsetzlich endgültige Entscheidung getroffen, auch alle Vorstellungen waren schlagartig abgelöst worden. Kein heransurrendes Insekt mehr, kein still sterbendes Licht, nein, das Auto, das von einer Sekunde zur anderen auf dich zurast und dich lehrt, dass es Dinge gibt, denen du nicht entkommen wirst, der erste falsch eingeschätzte Wagen, der das Vertrauen auf den Fußgängerüberweg jäh zerstört.

Unpassend, so ein Tod, dachte der Prälat, und unfair.

Er rannte in Richtung Palast, vom Fundort weg, immer bergab, die Reihen korrekt geschnittener Buchsbäume entlang, an dem Stück Berliner Mauer vorbei, das Johannes Paul II. vermacht worden war, zwischen Hecken wie in einem Labyrinth auf und ab, hin und her, bis zu den gepflasterten Gassen, die den Petersdom umgeben.

Ohne es richtig wahrzunehmen, hatte er in diesen Minuten mit dem Rosenkranz in der Tasche gespielt, den starren Leib des Gekreuzigten zwischen den Fingern gespürt, sich schließlich an dessen Todesqual erinnert.

Unterwegs hatte Testa einem Gärtner und dann Volterra zugerufen, der Heilige Vater dürfe heute unter keinen Umständen gestört werden, er wolle ganz allein sein.

Der Gendarm hatte die Hand an die Mütze gelegt.

»Geht in Ordnung, Monsignore«, hatte er gesagt und ihm nachgerufen: »Fallen Sie nicht!« Und, als er weiter weg war: »Haben Sie es jetzt gesehen?«

Was mochte der aufgeblasene Kerl gemeint haben? Den Toten nicht. Sonst hätte Volterra bereits den Palast alarmiert, Notärzte und Feuerwehr mobilisiert.

Der Prälat hastete weiter, schloss mit zitternden Fingern eine Geheimtür auf, blieb mit Seitenstechen auf einem der unteren Flure stehen.

Diesmal nur nicht zu bemänteln suchen wie die damals beiJohannes Paul I., den sie im Bett aufgefunden haben wollten. Bei geistlicher Lektüre vom Herzschlag getroffen.

Testa wusste, das würde nicht noch einmal klappen. Schon der Gedanke an die Lüge war nichtswürdig. Er ballte die Hand so fest zur Faust, dass sich die Nägel in den Ballen gruben.

Nein, nicht verfälschen, diesmal nicht. Kein Herzstillstand. Kein frommes Buch. Wieder mal Mord.

Unglaublich, der Papst soeben in seinem Garten umgebracht. Ein Loch in der Schläfe, ein Blutfaden.

Es wurde Testa klar, dass er, mit Ausnahme des Täters oder der Täter, für Minuten der einzige Wissende war. Kurz fühlte er ein Allmachtsgefühl in sich aufsteigen.

Massimo Testa, Superkopf, Informant der Welt.

Kindisch.

Cäsar im Senat, Lincoln in der Loge, und Nicoletti im Garten, lauter Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung. Nein, das auch wieder nicht, sagte sich der Prälat, in diese Reihe passt der Papst kaum. Als hätte ich nicht Wichtigeres zu bedenken!

Wer war Brutus in diesem Stück?

Eher unbewusst räumte Testa im Arbeitszimmer Petrus' II. hellgrüne Briefumschläge zur Seite, zog die abgegriffene Ledertasche weg, hob eine Schatulle mit Briefmarken hoch, raffte Dokumente zusammen, die den Stempel Sub secreto trugen und als geheim galten, legte sie auf den Stapel zurück, schaute die Suite des Heiligen Vaters und die Gästeappartements durch, warf einen Blick auf den Käfig mit dem Haustier Seiner Heiligkeit, aber fand das Tagebuch, das er, ohne es sich einzugestehen, gesucht hatte, auch nicht in der Minibar des Zimmers. Dafür waren in den Räumen viele Seiten mit Notizen verstreut, die sich Petrus II. wahrscheinlich für die erwartete Moral-Enzyklika gemacht hatte.

Aus der wird nichts mehr, überlegte der Monsignore. Dabei hat Nicoletti viel an ihr gearbeitet.

Der Papst war fleißig gewesen. Immerhin hatte er das erste Jahr seiner Amtszeit im Palast verbracht, um die Aktenberge abzutragen, die der Vorgänger, der lieber auf Reisen war, aufgehäuft hatte.

Testa schaute gedankenverloren auf eine Rolle Pfefferminzdrops, die neben dem Brevier auf dem Tisch lag. Dann griff er nach der goldbraun gewirkten Kordel, die links, hinter dem Schreibtisch, an der Wand hing, und klingelte nach Schwester Assunta.

Die Haushälterin, aus einem Flecken in Apulien, war eine Eiche von Frau. Ihre zupackende Art hatte den Papst ein wenig geängstigt. Wer sie nicht mochte, nannte die Unbeschuhte Karmelitin bärbeißig. Doch sie war sensibler, als sie zu erkennen gab.

Nach nicht einmal einer Minute klopfte Assunta an die Tür und stand im Zimmer. Sie schien Teig an den Händen zu haben. Vielleicht war sie damit beschäftigt gewesen, das Lieblingsdessert Petrus' II. zuzubereiten. Sonntags gab es Schokoladen-Nusstorte mit der von Wojtyla übernommenen Aufschrift Sto lat, hundert Jahre soll er leben.

CHAPTER 2

»Sie haben geläutet, Monsignore?«

»Der Papst! Sie haben den Papst erschossen!«

»Tot?«

»Ja«, sagte Testa tonlos.

»Woher wissen Sie ...?« Assunta kreuzte die Arme abwehrend vor der Brust.

»Ich habe ihn gerade gefunden. Im Garten.«

Der Nonne schoss der Spruch durch den Kopf, ein Papst sei grundsätzlich kerngesund – bis er sehr schnell sterbe. Sie wunderte sich über sich selbst und versuchte ein Ave Maria, begann mit den vertrauten Worten, stockte, fing von vorne an, wusste wieder nicht weiter, bemühte sich, das tausendfach geübte Gebet zusammenzubekommen.

Nein, sie würde nicht weinen, sondern nüchtern reagieren. Zumindest hoffte sie auf ihre Kraft.

Assunta dachte im schrecklichsten Augenblick ihres Nonnenlebens nur kurz an die Zukunft. Sie musste realistisch sein. Es war eine Tatsache, dass ihre Zeit als Bedienerin des Bischofs, Kardinals und Papstes Nicoletti nach siebenundzwanzig Jahren unwiderruflich zu Ende war.

»Ich werde auch bald gehen müssen«, murmelte sie in Richtung des Prälaten, ohne ihn anzusprechen, »in ein Kloster umziehen. Im Süden.«

Weshalb sie soeben von der Provinz gesprochen hatte, hätte sie nicht erklären können. Mochte sein, sie hatte an ihre Heimat gedacht, an einen Ort, der möglichst weit weg war, an ein Zuhause, das nichts mit dem Vatikan zu schaffen hatte, diesem Ort des Todes.

Sie stand aufrecht, hielt sich jedoch am Schreibtisch fest.

»Da bleibe ich eingeschlossen. Bis zu meinem Tod.« Assunta richtete ihren Blick an Testa vorbei auf einen Punkt über dessen linker Schulter. Dort hing das Kreuz. Sie selbst hatte es mit einem Kräuterbüschel geschmückt.

In der Tat, überlegte Testa, da wird sie von Erinnerungen leben, an ihren Papst und die Zeit in seinem Dienst denken.

»Und alle Mitschwestern platzen vor Neid«, fügte sie hinzu.

Assunta war ohne Trost. Doch ihre Stimme hatte sie wieder unter Kontrolle. Zumindest schien es dem Prälaten, als habe die Nonne alle Gefühle hinter einem zunehmend resoluten Ton zu verstecken begonnen. Das mit den Mitschwestern hätte sie sonst nicht gesagt, vor allem nicht so abfällig.

Ich bin selbst aus der Fassung, sagte sich Testa und schaute in ihr fahles Gesicht.

Wenige Augenblicke später rückte Assunta ihren Schleier zurecht und nahm die Angelegenheit in die Hand.

»Eines ist ausgeschlossen. Der Vatikan kann den Papst nicht im Garten präsentieren. Petrus II. muss in seine Suite gebracht werden. Er hat Anspruch auf besondere Würde.« Sie schluckte. »Wir schaffen ihn hier herauf. Dann richten wir den Leichnam her. Erst danach, Monsignore, werden andere informiert.«

Testa nickte. Was sie gesagt hatte, war logisch.

»Ich kann aber nicht mit Ihnen zusammen den Papst aus dem Garten holen«, entschied Assunta. »Eine Klosterfrau und ein Prälat, diese Klosterfrau und dieser Prälat – und eine zugedeckte Bahre, unmöglich.«

»Ich nehme an«, sagte Testa, »auch ein Gärtner scheidet aus. Schmutzige Hände.«

»Mit denen er den Papst anfasst, und mit der Schubkarre ... Nein.«

Testas Blick verriet, dass er diese Direktheit weder bei ihr noch bei sich erwartet hatte.

Assunta sah noch entschlossener aus. »Wir brauchen zwei Männer, Schweizer. Wir müssen sie sofort einweihen.«

Sie wartete auf seine Antwort.

»Oder Gendarmen?« Testa dachte an Volterra. Was hatte der nur gesehen?

»Nein, die zuletzt. Italiener schweigen nicht!«

Sie öffnete den Mund, als wolle sie noch etwas über ihre Landsleute sagen, und überlegte es sich dann.

»Und die Ehrengarde? Die wäre angemessen.«

»Unsinn, Monsignore. Entschuldigung. Ich muss es so deutlich sagen. Die schlafen noch. Und bis die sich ausstaffiert haben, rote Hosen, Kürassierhelme, Rossschweif, Schleppsäbel! Lauter unpraktisches Zeug.«

Der Prälat nickte. Er war froh, Assunta bei sich zu haben.

»Sollen wir so noble Herren eine Leiche tragen lassen?« fragte die Nonne. »Unauffällig?«

Also telefonierte Testa.

Er traf auf respektvolles Erstaunen im Mannschaftsraum der Schweizergarde. Es war nicht üblich, vom Sekretär des Papstes angerufen zu werden.

»Ich brauche sofort, ... sofort, hier oben zwei von euch!«

»Schnell geht das nicht, Monsignore«, sagte der Hellebardier Hansruedi Kümmerli jr., »wir müssen uns noch ankleiden.«

»Was?« Der Prälat fasste den Hörer fester.

»In Schale werfen. Für Seine Heiligkeit, verstehen Sie?«

»Nein, nein, heute nicht!«

»Nicht? Wieso?«

»Kommen Sie, wie Sie sind!«

»Es ist Vorschrift! Unser Weibel wird fuchsteufelswild, oder? Bei der Vereidigung mussten wir ...«

»Sie schicken zwei Männer herauf, sofort, verstanden! Ohne Karabiner bitte!«

»Wir kommen in Teufels Küche. Ruebli hat gesagt, wir ...«

»Das ist ein Befehl!«

»Befehlen kann uns nur der Obrist, oder?«

»Nochmals: Sie kommen sofort. Sonst gibt es Ärger mit dem Papst!« Testa hielt den Hörer noch einen Moment in der Hand, strich mit dem Zeigefinger darüber, legte auf.

Was hat dieser Apparat schon alles gehört, dachte er.

Kaum waren die beiden Männer in blauem Wams mit bauschigen Ärmeln erschienen, gleiche Mützen, gleiche Gesichter, redete Testa auf sie ein. Sie wurden zusehends blasser, da sie Petrus II. begegnen sollten.

(Continues…)


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