Die gabe der liebe (Hannah's List)

Die gabe der liebe (Hannah's List)

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Die gabe der liebe (Hannah's List)

eBookGerman-language Edition (German-language Edition)

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Overview

Michael ist überwältigt. Ein Jahr ist es her, dass er seine große Liebe Hannah verloren hat - ein Jahr voller Trauer. Jetzt hält er ihren letzten Brief in den Händen. Und doch kann er nicht tun, was sie sich von ihm wünscht. Er soll sich neu verlieben, heiraten und das Glück finden, das die Krankheit ihm genommen hat. Nur widerstrebend tut er Hannah den Gefallen, sich wenigstens einmal mit den Frauen zu treffen, die sie für ihn ausgesucht hat. Aber ist vielleicht genau das seine Chance für einen ersten Schritt zurück ins Leben?

»Niemand schreibt weibliche Charaktere so wunderbar wie Debbie Macomber. Ich bin mir sicher, selbst Gott hat sie um Rat gefragt, als er Eva schuf.«
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Product Details

ISBN-13: 9783955768836
Publisher: MIRA Taschenbuch
Publication date: 03/01/2019
Series: Blossom Street (Foreign Language Editions) Series , #8
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 416
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

About The Author
SPIEGEL-Bestsellerautorin Debbie Macomber hat weltweit mehr als 200 Millionen Bücher verkauft. Sie ist die internationale Sprecherin der World-Vision-Wohltätigkeitsinitiative Knit for Kids. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Wayne lebt sie inmitten ihrer Kinder und Enkelkinder in Port Orchard im Bundesstaat Washington, der Stadt, die sie zu ihrer Cedar Cove-Serie inspiriert hat.

Hometown:

Port Orchard, Washington

Date of Birth:

October 22, 1948

Place of Birth:

Yakima, Washington

Education:

Graduated from high school in 1966; attended community college

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Ich bin kein sentimentaler Typ. Früher habe ich immer wieder mal den Muttertag vergessen und einmal, als ich noch mit Hannah zusammen gewesen war, sogar den Valentinstag. Glücklicherweise hatte sie mir mein Versäumnis nicht allzu übel genommen und auch nicht daraus abgeleitet, wie viel oder wenig ich für sie empfand. Auch was Jahrestage und Geburtstage angeht, bin ich ein hoffnungsloser Fall. Vermutlich würde ich sogar Weihnachten vergessen, wenn da nicht der allgemeine Trubel wäre. Nein, ich bin keineswegs egozentrisch ... Nun ja, vielleicht doch, aber sind wir das nicht alle irgendwie?

In meinen Augen ist es lächerlich, Menschen mit Aufmerksamkeit zu überhäufen, nur weil sie Geburtstag haben oder im Kalender irgendein Feiertag steht, den sich irgendwann mal irgendwer ausgedacht hat. Wenn man jemanden liebt, muss man ihm diese Liebe jeden Tag zeigen. Warum soll man auf einen bestimmten Termin warten, um seiner Frau Blumen zu schenken? Taten sagen viel mehr als Worte, vor allem wenn es Taten der Liebe sind – Dinge, die man ohne besonderen Grund tut, einfach nur, weil man es will. Weil es einem wichtig ist. Weil der betreffende Mensch einem wichtig ist.

Das hat Hannah mich gelehrt. Hannah. An einem achten Mai habe ich sie verloren, meine schöne, gerade mal achtunddreißig Jahre alte Frau. Auch ein ganzes Jahr nach ihrem Tod konnte ich nicht an sie denken, ohne von tiefem Schmerz überfallen zu werden.

Ein Jahr. Dreihundertfünfundsechzig einsame Tage und leere Nächte.

Ein paar Tage nach ihrem Tod hatte ich an ihrem ausgehobenen Grab gestanden und zugesehen, wie ihr Sarg hinabgelassen wurde. Ich hatte die erste Schaufel voll Erde hinterhergeworfen. Das Geräusch werde ich nie vergessen, diesen hohlen Klang, als die Erde auf das glänzende Holz des Sarges prallte.

Auch ein Jahr später noch verging keine Stunde, in der ich mich nicht an Hannah erinnerte. Und das war schon ein bedeutender Fortschritt, denn in den ersten Monaten nach ihrem Tod war es mir nicht gelungen, sie länger als eine Minute aus meinen Gedanken zu verbannen. Alles, was ich sah oder hörte, erinnerte mich an Hannah.

Zu sagen, ich hätte sie geliebt, reicht nicht, um meine Gefühle für sie auszudrücken. Sie hat mich in jeder Hinsicht vollständig gemacht. Ohne sie war meine Welt trist und öde, grau in grau. Es gibt Tausende von passenden Attributen, und sie könnten trotzdem nicht einmal annähernd beschreiben, wie leer ich mich fühlte, seit sie nicht mehr bei mir war.

Ständig redete ich mit ihr. Wahrscheinlich sollte ich das niemandem erzählen, aber seitdem sie mich ein letztes Mal angelächelt hatte, bevor sie endgültig die Augen schloss, hatten wir ein einseitiges Gespräch miteinander geführt.

Und nun saß ich hier, ein Jahr später, und tat so, als hätte ich Spaß an einem Baseballspiel der Seattle Mariners, während ich in Wirklichkeit nur an meine Frau denken konnte. An meine Frau, die seit einem Jahr tot war.

Ritchie, Hannahs Bruder und mein bester Freund, hatte mich zu dem Spiel eingeladen und mir die Karte für den Logenplatz geschenkt. Klar, ich weiß, warum er das getan hat. Mir ist nur allzu klar, dass mein Schwager mich nicht eingeladen hat, weil er mich irrtümlich für einen eingefleischten Baseballfan hält. Er wusste natürlich genau, welcher Tag sich jährte.

Auch wenn ich, wie gesagt, nicht zu Sentimentalitäten neige, aber diesen einen Tag kann ich nicht vergessen.

Als Arzt, genauer gesagt als Kinderarzt, ist mir der Tod vertraut. Ich bin ihm schon viel zu oft begegnet, und keine dieser Begegnungen ist leicht, gerade wenn es Kinder betrifft. Und selbst wenn das Ende wie bei Hannah friedlich und heiter verläuft, fühle ich mich betrogen und wie ein Verlierer.

Als Teenager war ich selbst sportlich aktiv. Im Herbst habe ich Football gespielt, im Winter Basketball und im Frühjahr Baseball. Im Sommer habe ich als Rettungsschwimmer gearbeitet. Sportlicher Kampfgeist gehört zu meiner Natur. Ich verliere nicht gern, und mein Gegner, der Tod, spielt nicht fair. Der Tod hat mir, hat uns allen, Hannah genommen, und zwar viel zu früh. Sie war die lebendigste, fröhlichste, liebevollste Frau, die ich jemals kennengelernt habe, und ohne sie fühlte ich mich verloren, wusste nicht weiter, strampelte mich ab, ohne etwas zu erreichen.

Obwohl ich meinen Feind, den Tod, bekämpfe, seit ich Arzt geworden bin – schließlich bin ich genau zu diesem Zweck Arzt geworden –, habe ich ein neues, komplexeres Verständnis von ihm erlangt. Ich habe gelernt, dass der Tod ein Freund sein kann, obwohl er der Feind ist. Als Hannah im Sterben lag, meine Hannah, die mich über alles liebte und so gut kannte, hat sie mir diese ultimative Wahrheit gezeigt.

Das vergangene Jahr hatte mir die Augen dafür geöffnet, dass ich meiner Frau einen schlechten Dienst erwiesen habe. Ich bedauere ganz besonders, mich geweigert zu haben, ihren nahenden Tod zu akzeptieren. Viel zu lange habe ich mich an sie geklammert, länger, als ich es hätte tun sollen. Ich habe mich geweigert, sie in Frieden gehen zu lassen, als sie dazu bereit war. Selbstsüchtig, wie ich war, konnte ich es nicht ertragen, sie loszulassen.

Selbst als sie das Bewusstsein verlor, blieb ich Tag und Nacht an ihrer Seite und wollte einfach nicht glauben, dass kein Wunder geschehen würde. Es war dumm, als Arzt wusste ich es eigentlich besser, und doch klammerte ich mich an sie. Heute erkenne ich, wie stur ich war. Ich erkenne, dass ich sie nicht zu Gott gehen lassen wollte und ihren Geist festgehalten und an die Erde gefesselt habe. An mich.

Als ich endlich erkannte, wie sinnlos das Ganze war, als ich begriff, was ich Hannahs Eltern und Ritchie damit antat, da wusste ich, dass ich sie loslassen musste. Ich verließ ihr Krankenhauszimmer und bekam mich wieder in den Griff. Tagelang hatte ich weder geschlafen noch gegessen, mich nicht rasiert. Dementsprechend sah ich vermutlich noch erbärmlicher aus, als ich mich fühlte. Ich fuhr nach Hause, duschte, zwang mich, einen Teller Suppe zu essen, und schlief drei Stunden lang tief und fest. Als ich zurück ins Krankenhaus kam, hatten die engsten Familienangehörigen sich um Hannahs Bett versammelt. Ihr Puls wurde immer langsamer, und es konnte nur noch Minuten dauern. Und dann, unmittelbar bevor sie starb, schlug sie die Augen auf, sah mich an und lächelte. Ich hielt ihre Hand, hob sie an meine Lippen, als sie die Augen ein letztes Mal schloss ... und dann war es vorbei.

Dieses letzte Lächeln wird mich für alle Zeit begleiten. Jeden Abend, bevor ich einschlief, hatte ich ihr letztes Lächeln vor Augen.

»He, Michael. Ein Bier?«, fragte Ritchie. Er nennt mich nicht Mike, niemand tut das. Selbst als Kind nannte man mich nie Mike.

»Gern.« In Gedanken war ich weder beim Spiel noch bei sonst irgendetwas. Ohne einen Blick auf die Spielstandsanzeige zu werfen, hätte ich nicht mal sagen können, welche Mannschaft in Führung lag. Rein äußerlich tat ich alles, was erwartet wurde: sprang auf, wenn Ritchie es tat, schrie und pfiff wie die anderen Zuschauer, aber das Spiel hätte mir nicht gleichgültiger sein können. Schon lange war mir alles gleichgültig geworden – bis auf meine Arbeit. Sie war meine Rettung.

»Gehen wir nach dem Spiel noch was essen?«, fragte Ritchie, als er mir ein paar Minuten später ein kaltes Bier in die Hand drückte.

Ich zögerte. Daheim warteten nur ein leeres Haus und meine Erinnerungen an Hannah auf mich.

»Gern.« Großen Appetit hatte ich allerdings nicht. Hatte ich zurzeit so gut wie nie.

»Toll.« Er nahm einen großen Schluck Bier und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiel zu.

Ich hatte meinem Schwager nicht gerade einen Gefallen getan, als ich seine Einladung, das Spiel gemeinsam zu sehen, angenommen hatte. Außerdem waren die Plätze nicht gerade billig. Ritchie hatte eine Menge Geld hingeblättert für die Logenplätze direkt hinterm Schlagmal, und was tat ich? Schaute während des ganzen Spiels kaum mal hin. Ich hätte seine Einladung zugunsten von jemand anderem ausschlagen sollen, wollte aber nicht allein sein. Nicht heute. An jedem anderen Tag des Jahres genügte mir meine eigene Gesellschaft völlig. Aber nicht heute.

Das Spiel musste vorbei sein, denn das Stadion begann sich zu leeren. Mitbekommen hatte ich davon nichts.

Ich gab mir einen Ruck. »Tolles Spiel.«

»Wir haben verloren«, grummelte Ritchie.

Nicht einmal das hatte ich bemerkt.

Er klopfte mir auf den Rücken und eilte zum Ausgang. Das war seine Art, mir zu zeigen, dass er mich verstand.

Eine halbe Stunde später saßen wir in einer netten Sportsbar nicht weit vom Stadion. Ich starrte auf die Speisekarte und wünschte, ich hätte wenigstens ein bisschen Appetit. Im Laufe des letzten Jahres hatte ich rund zehn Kilo Gewicht verloren. Nahrung war eine bloße Notwendigkeit, und nur deshalb machte ich mir die Mühe, überhaupt etwas zu essen. Meistens nebenbei, ohne darauf zu achten, was ich aß, oder mir zu überlegen, was mir schmecken könnte. Ich musste etwas in den Magen bekommen, also holte ich mir einen Eiweißriegel oder einen Gemüsetrunk. Das erfüllte seinen Zweck, auch wenn es mir keinen Genuss bereitete.

Hannah ist eine begnadete Köchin gewesen, genau wie ihre Cousine Winter Adams, der das French Café in der Blossom Street gehört. Sie experimentierte gern mit Rezepten und hatte Freude daran, ganze Menüs zuzubereiten. Bei unseren Freunden war sie für ihre Dinnerpartys berühmt. Als Gastgeberin war sie in ihrem Element, charmant und freundlich.

»Worüber denkst du nach?«, fragte Ritchie.

Seine Frage überrumpelte mich. Dann bemerkte ich, dass er immer noch die Speisekarte studierte. »Gegrillten Lachs«, erwiderte ich.

»Ich tendiere dazu, mir ein T-Bone-Steak zu bestellen«, sagte er.

Steaks waren für mich untrennbar mit einer Feier verbunden, und diesen Tag zu feiern würde mir nie in den Sinn kommen. Lange bevor ich bereit gewesen war zu akzeptieren, dass Hannah ihren Kampf gegen den Krebs verloren hatte, hatte sie mir gesagt, sie wolle nicht, dass ich nach ihrem Tod um sie trauerte. Sie sagte, ihre Totenwache solle so fröhlich werden wie ihre Partys. Damals wollte ich nicht, dass sie über den Tod redete. Sie hatte sich bereits mit dem Ende abgefunden, aber mir fehlte immer noch der Mut dazu.

Die Kellnerin nahm unsere Bestellung auf, brachte jedem von uns ein Bier und ging wieder. Ich drehte die bernsteinfarbene Flasche zwischen den Fingern und betrachtete eingehend die Tischplatte. Ich wäre Ritchie gern eine bessere Begleitung gewesen.

»Jetzt ist es ein Jahr her«, murmelte mein Schwager.

Ich nickte, nahm seine Aussage zur Kenntnis, ohne etwas dazu zu sagen.

»Sie fehlt mir.«

Wieder nickte ich. So weh es tat, über Hannah zu reden, so dringend war mein Wunsch, genau das zu tun. Ich wollte – nein, ich musste – an ihr festhalten, wenn schon nicht physisch, dann doch wenigstens emotional.

»Schwer zu glauben, dass es schon zwölf Monate her ist.« Ich konnte den Schmerz in meiner eigenen Stimme hören, versuchte aber nicht, ihn zu verbergen.

»Geht es dir gut?«, fragte Ritchie.

Ein Achselzucken musste genügen. Was sollte ich auch antworten? Nein, es geht mir nicht gut. Ich bin verdammt wütend. Immer noch. Wie konnte so etwas einer so wundervollen Frau wie Hannah geschehen? Wie konnte es mir geschehen?

Hannah und ich hatten unmittelbar nach dem Ende meines Medizinstudiums geheiratet. Wir entschieden, nicht sofort eine Familie zu gründen, denn mein Praktikum und meine Assistenzarztzeit würden anstrengend werden. Hannah hatte als Einkäuferin für eine regionale Kaufhauskette gearbeitet und ihren Job geliebt. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, so ausgelaugt, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, hatte sie mich mit Geschichten über Leute, denen sie begegnet war, unterhalten, Leute, deren Namen ich schnell wieder vergaß, deren Marotten mir aber in Erinnerung blieben. Aus der kleinsten Begebenheit machte sie eine richtige Anekdote und schmückte sie mit umwerfend witzigen Anmerkungen aus. Sie verstand es, selbst die banalsten Details so wiederzugeben, dass sie faszinierten. Wenn ich die Augen schließe, kann ich sie immer noch lachen hören. Ich lächele, sobald ich an unsere ersten Ehejahre denke, an die Herausforderungen, mit denen wir uns abplagten, an die Dinge, die wir gemeinsam genossen. Es sind dies die Erinnerungen, die mich in meinem ersten Jahr ohne Hannah aufrecht hielten.

Noch am selben Tag, an dem ich meine Assistenzzeit und meine Facharztausbildung abschloss und eine Stelle als Praxisarzt in Seattle antrat, warf Hannah ihre Antibabypillen weg. Wir redeten endlos über unsere Familie. Ich liebe Kinder, und Hannah ging es genauso. Sie wollte drei Kinder. Mir wären zwei genug gewesen, doch Hannah war der Meinung, eine ungerade Zahl sei besser, also erklärte ich mich mit drei Kindern einverstanden.

Aber Hannah wurde nicht schwanger. Wir waren davon ausgegangen, dass es ganz einfach sein würde. Sie machte sich permanent Sorgen, und ich kam zu dem Schluss, dass das eigentliche Problem der Stress war, den sie sich machte. Nach achtzehn erfolglosen Monaten wollte sie einen Fruchtbarkeitsspezialisten aufsuchen, und ich stimmte ihr zu. Und da erfuhren wir, dass nicht schwanger zu werden unsere geringste Sorge war. Nur eine Woche nach unserem ersten Besuch beim Spezialisten erhielt Hannah die Diagnose Eierstockkrebs – im Endstadium. Die Erkrankung war zu spät erkannt worden, um ihr Leben noch retten zu können.

Unwillkürlich dachte ich, ich hätte es wissen müssen. Hätte Verdacht schöpfen und merken müssen, dass etwas nicht stimmte. Als Arzt gab ich mir die Schuld daran, dass Hannahs Diagnose erst so spät gestellt worden war. Wenn ich besser aufgepasst hätte, so sagte ich mir, wären mir vielleicht frühe Symptome aufgefallen. Aber ich hatte zu tun gehabt, war mit meiner Arbeit ausgelastet gewesen, hatte zu viel anderes um die Ohren gehabt.

Freunde haben versucht, mir das auszureden, Freunde wie Patrick O'Malley, ebenfalls Kinderarzt und einer meiner Partner in der Praxis. Sie erinnerten mich oft daran – ebenso wie Hannah selbst –, dass Eierstockkrebs dafür bekannt ist, viel zu spät durch Symptome auf sich aufmerksam zu machen. Das wusste ich alles, aber ich begriff auch, dass ich die Schuldgefühle brauchte, dass ich mich selbst bestrafen wollte. Ich dachte, ich würde mich besser fühlen, wenn ich mir die Schuld gab, weil ich nichts bemerkt hatte.

»Erinnerst du dich noch an den Abend, an dem ihr beide zum Essen bei Steph und mir wart?«, fragte Ritchie in meine Grübeleien hinein. »Jenen letzten Abend?«

Ich nickte. Es war ein Freitagabend gewesen, das letzte Mal, dass wir beide zusammen ausgegangen waren. An jenem Nachmittag hatten wir die Nachricht erhalten, die unsere Welt aus den Angeln gehoben hatte. Die neuesten Testergebnisse hatten vorgelegen und gezeigt, dass die Chemotherapie das Fortschreiten der Krankheit kaum beeinflusst hatte.

Ich war am Boden zerstört gewesen, hatte das gemeinsame Essen absagen wollen, doch Hannah hatte darauf bestanden, die Einladung anzunehmen. Mit strahlendem Lächeln hatte sie das Haus ihres Bruders und ihrer Schwägerin betreten, als wäre alles in bester Ordnung. Ich hingegen war ein seelisches Wrack gewesen und hatte den Abend nur gerade so überstanden. Ganz anders Hannah. Hätte ich nicht gewusst, was Sache war, wäre mir nie auch nur ein Verdacht gekommen.

»Ja, ich erinnere mich.«

»Sie hat mich an jenem Abend um etwas gebeten.«

»Hannah?« Es gelang mir nicht, meine Überraschung zu verbergen, als ich den Blick von meiner Bierflasche hob.

Jetzt wandte Ritchie den Blick ab. »Während du mit Max ein Videospiel gespielt hast, hat Hannah unter vier Augen mit mir gesprochen.«

Ich rutschte auf meinem Sitz nach vorn. Der Lärm des Fernsehers in der Bar rückte in den Hintergrund. Jeder Muskel meines Körpers zitterte plötzlich vor Anspannung, als wüsste ich bereits, was Ritchie mir sagen würde.

»Sie sagte, die Ärzte hätten schlechte Nachrichten gehabt.«

Ich konzentrierte mich auf einen leeren Barhocker am anderen Ende des Raumes. »Ich wollte euch absagen, aber Hannah ließ das nicht zu.«

»Sie hatte gute Gründe, an diesem Abend zu uns zu kommen«, erklärte Ritchie. »Sie erzählte mir, dass es keine Hoffnung mehr gab und dass sie es akzeptiert hatte, sterben zu müssen.«

Das wollte ich nicht hören.

Ritchie stieß geräuschvoll seinen Atem aus. »Sie hatte keine Angst vor dem Tod, weißt du?«

»Warum sollte sie auch? Der Himmel ist für Menschen wie Hannah gemacht.«

Ritchie nickte zustimmend. »Schon lange vor jenem Abend hatte sie ihren Frieden mit Gott geschlossen. Ihre Haltung hatte nichts Fatalistisches an sich. Sie wollte leben. Mehr als alles andere wollte sie leben.«

Es hatte Augenblicke gegeben, in denen ich das bezweifelte. »Ich habe sie angefleht, mit mir nach Europa zu fliegen, weil ich von einer experimentellen Therapie gelesen hatte, die dort vorgenommen wurde. Aber sie hat es abgelehnt.«

(Continues…)


Excerpted from "Die Gabe der Liebe"
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Copyright © 2010 Debbie Macomber.
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