Die Jahre der Schwalben: Roman

Verlorene Heimat – eine starke junge Frau zwischen Liebe und Verlust.

Kurz nach ihrer Hochzeit erfährt Frederike, dass ihr Mann eine schwere Krankheit hat. Er geht in ein Sanatorium, und Frederike hofft auf seine Genesung. Doch als er stirbt, steht Frederike vor den Trümmern ihres Lebens.

Allein und ohne eigenes Vermögen muss sie das Gut mit der großen Trakehnerzucht bewirtschaften. Jahre der Verzweiflung und Einsamkeit folgen, bis sie Gebhard von Mansfeld kennenlernt. Ganz langsam gelingt es ihr, wieder an das Glück zu glauben. Doch dann kommt Hitler an die Macht, und plötzlich weiß Frederike nicht, ob sie und ihre Liebsten noch sicher sind...

Die große emotionale Familiensaga aus Ostpreußen, die auf wahren Begebenheiten beruht.

1127171347
Die Jahre der Schwalben: Roman

Verlorene Heimat – eine starke junge Frau zwischen Liebe und Verlust.

Kurz nach ihrer Hochzeit erfährt Frederike, dass ihr Mann eine schwere Krankheit hat. Er geht in ein Sanatorium, und Frederike hofft auf seine Genesung. Doch als er stirbt, steht Frederike vor den Trümmern ihres Lebens.

Allein und ohne eigenes Vermögen muss sie das Gut mit der großen Trakehnerzucht bewirtschaften. Jahre der Verzweiflung und Einsamkeit folgen, bis sie Gebhard von Mansfeld kennenlernt. Ganz langsam gelingt es ihr, wieder an das Glück zu glauben. Doch dann kommt Hitler an die Macht, und plötzlich weiß Frederike nicht, ob sie und ihre Liebsten noch sicher sind...

Die große emotionale Familiensaga aus Ostpreußen, die auf wahren Begebenheiten beruht.

13.99 In Stock
Die Jahre der Schwalben: Roman

Die Jahre der Schwalben: Roman

by Ulrike Renk
Die Jahre der Schwalben: Roman

Die Jahre der Schwalben: Roman

by Ulrike Renk

eBook3. Auflage (3. Auflage)

$13.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers


Overview

Verlorene Heimat – eine starke junge Frau zwischen Liebe und Verlust.

Kurz nach ihrer Hochzeit erfährt Frederike, dass ihr Mann eine schwere Krankheit hat. Er geht in ein Sanatorium, und Frederike hofft auf seine Genesung. Doch als er stirbt, steht Frederike vor den Trümmern ihres Lebens.

Allein und ohne eigenes Vermögen muss sie das Gut mit der großen Trakehnerzucht bewirtschaften. Jahre der Verzweiflung und Einsamkeit folgen, bis sie Gebhard von Mansfeld kennenlernt. Ganz langsam gelingt es ihr, wieder an das Glück zu glauben. Doch dann kommt Hitler an die Macht, und plötzlich weiß Frederike nicht, ob sie und ihre Liebsten noch sicher sind...

Die große emotionale Familiensaga aus Ostpreußen, die auf wahren Begebenheiten beruht.


Product Details

ISBN-13: 9783841213693
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 10/09/2017
Series: Die Ostpreußen Saga , #2
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 544
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld. Familiengeschichten haben sie schon immer fasziniert, und so verwebt sie in ihren erfolgreichen Romanen Realität mit Fiktion.

Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Australien-Saga, die Ostpreußen-Saga, die Seidenstadt-Saga, die große Berlin-Saga um die Dichterfamilie Dehmel und zahlreiche historische Romane vor.

Mehr zur Autorin unter www.ulrikerenk.de

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Fennhusen, Frühjahr 1930

Es regnete ohne Unterlass, aber es war ein milder Regen, der die Luft zu reinigen schien. Frederike wischte über die Scheibe und sah hinaus in die vertraute Umgebung. Die ersten Kirschblüten öffneten sich, nun da das Frühjahr endgültig den Winter verdrängt hatte.

»Wie jeht es Ihnen?«, fragte Hans leise. Der alte Kutscher war nicht mit dem Landauer zum Bahnhof gekommen, sondern mit dem Automobil.

»Ach Hans, für dich bin ich doch immer noch Freddy«, seufzte Frederike. »Das war schon immer so und wird auch so bleiben.«

Hans räusperte sich. »Nun ja, du bis awwer jetzt 'ne verheiratete Frau, Baronin von Stieglitz.«

»Ja.« Frederike senkte den Kopf. Seit neun Monaten war sie mit Ax verheiratet, und nun kehrte sie zum ersten Mal nach Fennhusen, auf das Gut ihrer Familie zurück. Ihre Gefühle waren gemischt. »Wie geht es allen?«

»Irmi und Gilusch machen sich prächtig. Und Klein Erik hat anjefangen zu reiten«, sagte Hans schmunzelnd. »Ali wird immer mehr zu 'nem Dickkopf. Mittem werden wir noch Spaß haben.«

»Das habe ich gehört.« Frederike lächelte. Trotz des großen Altersunterschieds lagen ihr die vier kleinen Geschwister aus der dritten Ehe ihrer Mutter ebenso sehr am Herzen wie ihre beiden anderen Halbgeschwister, die schon erwachsen waren und nicht mehr auf dem Gut wohnten.

»Das Irmichen is een kleener Wirbelwind, awwer reiten kannse fast so jut, wie du.« Hans klang so stolz, als ob er über seine eigene Familie sprechen würde.

Wieder schaute Frederike nach draußen. Sie hatte das Gut Fennhusen in den letzten zehn Jahren immer als ihr Zuhause, ihre Heimat betrachtet, doch das war nun vorbei. Was würde Mutter sagen? Wie würde sie sich verhalten? In den letzten Monaten hatte Frederike sich geweigert, ihre Mutter zu treffen, aber nun musste sie sich dem Gespräch mit ihr stellen.

Hans lenkte das Automobil durch die Toreinfahrt, der nasse Kies knirschte unter den Reifen. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert, dort waren die Stallungen, die Häuser des Gesindes, das runde Blumenbeet vor dem Treppenaufgang, das ihre Mutter angelegt hatte. Die Narzissen waren schon fast alle verwelkt, aber die Tulpen öffneten ihre Blüten.

Sobald der Wagen stand, stieg Frederike aus. Sie holte tief Luft. Es roch nach frischem Regen und feuchter Erde. Sie liebte diese Schauer im Frühjahr, die die Natur zum Erwachen brachten.

Die Eingangstür wurde geöffnet, ihre Mutter winkte.

»Komm rein, Freddy«, rief sie. »Du wirst noch ganz nass. Nicht, dass du uns krank wirst.«

Wütend kniff Frederike die Augen zusammen. Krank? Nun ja, ihre Mutter hatte sie wahrhaftig mehr ausgesetzt, als nur einem Regenschauer. Langsam ging sie zum Haus, stieg die Treppe empor.

»Guten Tag, Mutter«, sagte sie steif und streckte Stefanie von Fennhusen die Hand entgegen. Ihre Mutter zog überrascht die Augenbrauen hoch und schüttelte Frederike kurz die Hand.

»Wenn du es so willst«, murmelte Stefanie verletzt, drehte sich um und ging in die große Diele. »Ich habe dir dein Zimmer herrichten lassen. Möchtest du einen Tee?«

»Mir wäre ein heißes Bad lieber.«

»Darf ich Ihren Mantel nehmen?«, fragte Inge, das Hausmädchen. »Ich werde ihn zum Trocknen nach unten bringen.«

»Danke, Inge.«

»Sag Leni Bescheid, dass sie das Bad einlassen soll. Ich hoffe, der Ofen ist angeheizt.«

»Sofort, gnädige Frau.« Inge eilte nach unten ins Souterrain, wo sich die Gesinderäume und die Küche befanden.

Am liebsten wäre Frederike ihr gefolgt, wäre eingetaucht in die Wärme und die Düfte der Küche und hätte sich von Schneider, der Köchin, verwöhnen lassen – so wie früher. Aber nichts war mehr wie früher.

»Einen Tee, solange du auf das Bad wartest?«, wollte Stefanie wissen. Ihre Stimme klang nun kühler.

»Ich nehme lieber etwas Stärkeres.«

»Freddy! Freddy!« Irmi stürzte die Treppe hinunter und sprang Frederike in die Arme. »Endlich bist du da. Bleibst du hier? Ziehst du wieder zu uns zurück? Bitte, bitte, bitte.«

»Irmikind, mein Irmikind. Du wirst zu groß und zu schwer, als dass ich dich tragen und rumschwenken könnte«, sagte Frederike und drehte sich einmal mit ihrer Schwester im Kreis, bevor sie sie wieder auf dem Boden absetzte. »Wo ist Gilusch?«

»Gilusch ist auf ihrem Zimmer, und da bleibt sie heute auch«, sagte Stefanie und zog die Stirn in Falten. »Du kannst sie morgen begrüßen. Die Jungs sind im Kinderzimmer, denen kannst du nachher hallo sagen.« Frederike sah Irmi fragend an, ihre kleine Schwester nickte ernst. »Gilusch war frech«, flüsterte sie.

»Zu Mutter?«, flüsterte Frederike zurück.

»Ja, und zur Lehrerin.«

»Grundgütiger. Wieso das denn?«

»Wer flüstert, lügt«, sagte Stefanie laut und streng. »Willst du jetzt einen Drink, oder willst du weiter Kinderspielchen spielen? Ich dachte, aus dem Alter bist du raus!«

»Oh, oh«, seufzte Frederike.

»Geh lieber«, meinte Irmi leise, »sonst bekommst du auch noch Stubenarrest.«

Frederike lachte laut auf. »Ich komme nachher noch zu dir«, versprach sie ihrer Schwester. Dann folgte sie der Mutter in den kleinen Salon, in dem Stefanie auch ihren Sekretär hatte.

»Bourbon? Cognac? Sherry? Gin?«

»Gin-Fizz nehme ich gerne.« Frederike folgte. Die Atmosphäre war mehr als kühl, was nicht überraschend war.

Stefanie goss sich selbst einen Sherry ein und läutete nach Gerulis, dem ersten Hausdiener.

»Meine Tochter möchte einen Gin-Fizz«, sagte sie ihm.

»Freddy! Wie schön, dass du endlich wieder hier bist.« Gerulis lächelte, dann wurde sein Gesicht wieder ernst. »Einen Gin-Fizz, sehr gerne, gnädige Frau.«

Sie setzten sich gegenüber in die beiden Sessel, die vor dem Kamin standen, und schwiegen sich an, bis Gerulis den Drink brachte.

Stefanie konnte eisern schweigen, das wusste Frederike aus Erfahrung. Also biss sie die Zähne zusammen, hob das Glas und zwang sich zu lächeln. »Cheers, Mutter.«

»Prost, Freddy.«

»Ist Onkel Erik da? Ich muss ihn dringend sprechen.«

»Er kommt gleich, im Moment ist er noch mit dem Inspektor auf den Feldern. Der Winter war lang in diesem Jahr. Wir haben schon April, aber wir konnten erst jetzt den Dung ausbringen. Bis letzte Woche lag noch Schnee.«

»Ja, bei uns auch.« Frederike räusperte sich, nippte noch einmal am Gin. »Was macht Fritz?«, fragte sie und hoffte, dass es leichthin klang.

»Er ist in Berlin und studiert Technik. Außerdem will er einen Pilotenschein machen.« Stefanie schüttelte den Kopf. »Er war schon immer verrückt nach mechanischen Dingen.«

Frederike lächelte. Ihr Halbbruder Fritz aus der zweiten Ehe ihrer Mutter war nur zwei Jahre jünger als sie. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie er als Kind immer alles auseinandergebaut und untersucht hatte.

»Und Gerta?«

»Sie ist immer noch krank. Im Herbst hatte sie einen Infekt mit hohem Fieber und hat sich noch nicht davon erholt. Im Moment ist sie auf der Kurischen Nehrung. Ich hoffe, dass die Seeluft ihr guttut. Das hatte ich dir aber geschrieben.« Stefanie sah sie an. »Doch du beantwortest meine Briefe ja nicht, möglicherweise liest du sie gar nicht.«

Frederike hielt die Luft an, dann trank sie das Glas in einem Zug leer und stellte es auf das Tischchen neben ihr. »Ich werde mal schauen, ob mein Bad schon fertig ist«, sagte sie, stand auf und ging zur Tür.

»Um sechs gibt es Essen. Vielleicht ist Erik schon früher da, dann lasse ich dich rufen.«

»Danke.«

»Ich weiß, dass du mir böse bist, aber ich wollte nur das Beste für dich«, sagte Stefanie.

»Das Beste? Das Beste? Mutter, du hast mich in eine Ehe mit einem todkranken Mann gedrängt, im vollen Bewusstsein, wie es um ihn steht. Obwohl ich dich mehrfach gefragt habe, hast du es geleugnet. Ax hat Tuberkulose, das ist eine schwere und sehr ansteckende Krankheit. Vielleicht habe ich es auch schon. Ansonsten werde ich wahrscheinlich sehr jung Witwe werden.« Sie schnaufte.

»Man kann es behandeln ...«, sagte Stefanie unsicher. »Und es gibt Tests. Hast du dich testen lassen?«

Frederike starrte sie wütend an.

»Außerdem hat er es schon einmal überwunden, vielleicht gelingt es ihm diesmal auch.«

»Mutter, er hat es nie überwunden, es gab nur einen Stillstand. Das weiß ich jetzt, und du wusstest es auch.«

»Wie ... nun, wie geht es ihm?« Stefanie klang verlegen. »Du warst doch bei ihm?«

»Ja, ich war bei ihm. Schon mehrfach. Zuletzt über Weihnachten. Es war nicht so, wie ich mir das erste Weihnachtsfest mit meinem Ehemann vorgestellt habe.« Frederike biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, dann drehte sie sich um, öffnete die Tür und ging. Sie war wütend, zu wütend, um noch länger mit ihrer Mutter zu sprechen. Vielleicht würde sie sonst Dinge sagen, die sie später bereute.

Für einen Moment stand sie unschlüssig im Flur, doch dann zog es sie ins Souterrain zu den Leuten – wie die Angestellten des Gutshauses genannt wurden. Sie öffnete die Tür, die zum Treppenhaus führte, und ging nach unten.

Vorne lagen die Räume mit den Vorrats- und Weinkellern. Nach hinten raus fiel das Gelände etwas ab, und dort war das Souterrain fast ebenerdig mit dem Hof. Rechts und links lagen die Gesinderäume und das Leutezimmer, wo die Hausangestellten das Essen einnahmen, vor Kopf war die große Küche. Schon als Frederike die Treppe hinunterging, hörte sie das Klappern der Töpfe und Pfannen, das Klirren des Geschirrs, und vor allem hörte sie die durchdringende Stimme von Frau Schneider, der Köchin.

»Erbarmung, wollt ihr beim Spülen einschlafen? Nun ljecht mal eine Hand zu! Wir haben Arbeet zu erlediejen. Dat Essen wartet nich!« Frederike öffnete die Tür zur Küche, und sofort fühlte sie sich wieder zu Hause. Es roch nach frischem Brot, ausgelassenem Speck, nach Braten und Soße. Auf dem Herd kochte das Wasser, Eier wurden aufgeschlagen, die Mädchen rannten, schnippelten, kneteten, fluchten, und im Zentrum stand Schneider, die Köchin. Sie schaute auf und sah Frederike an.

»Marjellchen, na endlich. Hab schon jedacht, du kommst nie wieder runter zu uns.«

»Erbarmung«, sagte Frederike und lachte, »das würde ich mir nicht erlauben.«

»Komm, lass uns an meinen Platz jehn. Da hamwe Ruhe.« Die Köchin, sie schien Frederike noch breiter als früher, kämpfte sich zur Fensterfront vor. Darunter stand ein großer Tisch, auf dem das Haushaltsbuch der Köchin lag. Frederike setzte sich auf die Bank, Schneider ließ sich schnaufend auf ihrem gepolsterten Stuhl nieder, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, den sie sich aber weigerte, ersetzen zu lassen.

»Wie jeht es dir, Kindchen? Und wie isses mit dem Lorechen? Un was is mit deim Mann? Isser wieder jesund? Hach, so viele Frajen. Iss erst ma was. Inge, bring sießes Brot und Butter, das Marjellchen is jankerich nach jutem Essen.« Dann lehnte sie sich zurück, faltete ihre Hände über dem voluminösen Bauch und sah Frederike an. »Blass biste«, sagte sie leise. »Nun sach schon.«

»Ach Schneider, was soll ich sagen? Schreibt Ihnen Lore denn nicht?«

»Manchmal. Aber das sind nur Briefe, Marjellchen. Ich will wissen mehr. Wie jeht es dir?«

Inge, eins der Mädchen, kam und stellte dampfendes Brot, frische, süße Butter und Marmelade auf den Tisch. Sie knickste verlegen und ging dann wieder.

»Es geht mir gut.« Frederike senkte den Kopf. »So weit.«

»Erbarmung, dat is jelogen. Und das weeßte ooch. Nu sach schon.«

»Ax ist in Davos. Er ist sehr krank, obwohl es ihm langsam bessergeht. Lore ist eine wahre Hilfe, ohne sie wäre ich verloren.«

»Meen Lorechen«, sagte die Köchin stolz. »Ich hab sie anjelernt.«

Frederike musste lächeln. »Das ist wahr. Sie zu haben, ist ein Stück Heimat in der Ferne.«

»Sind see jemein zu dir? Die Leute?«, fragte die Köchin leise.

»Gemein? Nein.« Frederike schüttelte den Kopf. »Gemein sind sie nicht. Aber sie akzeptieren mich auch nicht. Nicht richtig. Ich bin die Frau des Gutsherrn. Aber er ist seit unserer Hochzeit im letzten Jahr nicht mehr auf dem Gut gewesen.« Sie lachte bitter auf. »Ich werde erst im Herbst einundzwanzig, sie nehmen mich nicht für voll. Das kann ich ja verstehen, aber ich muss das Gut trotzdem führen, nur weiß ich nicht, wie.«

»Marjellchen.« Die Köchin lehnte sich vor, drückte Frederikes Hand. »Nun iss ma erst, und dann jehste nach oben und nimmst een heißes Bad. Das Mädchen hat alles vorbereitet. Und dann kommt der Jnädigste, und der wird schon wissen, wasse machen sollst.« Sie nickte und schob Frederike den Teller hin.

Erst wollte Frederike nichts essen, doch der Duft des Brotes war zu verführerisch, und sie langte zu. Es schmeckte köstlich, besser als alles, was sie auf Sobotka, dem Gut ihres Mannes, in den letzten Monaten gegessen hatte. Und das, obwohl Lore – die Köchin dort – von hier stammte.

Schließlich aber ging Frederike nach oben. Sie hatte ihre Hündin Fortuna auf Sobotka gelassen, weil Frederike nach diesem unleidlichen Besuch auf Fennhusen noch nach Berlin zu ihrer besten Freundin Thea fahren wollte. Doch nun, als Frederike ihr Zimmer betrat, fehlte ihr der Hund. In den letzten Monaten war Fortuna immer an ihrer Seite gewesen, hatte sie sogar nach Davos begleitet.

»Freddy!« Leni stand strahlend im Zimmer. »Ich habe schon deine Sachen ausgepackt, und das Bad ist auch bereit. Wie geht es dir denn?«

Leni schien alt geworden zu sein. Graue Strähnen mischten sich unter das blonde Haar, Falten hatten sich um den Mund und in den Hals des Zimmermädchens eingegraben.

War das schon vorher so? dachte Frederike erstaunt. Ich bin mit Leni aufgewachsen, sie ist in der Familie, seit ich denken kann. Natürlich wird sie älter – ist es mir vorher nur nie aufgefallen?

»Oder soll ich dich jetzt siezen?«, fragte Leni leise nach und schaute zu Boden.

»Unfug. Natürlich nicht.« Frederike lachte auf. Sie ging auf das Dienstmädchen zu und umarmte sie. »Es ist so schön, dich zu sehen. Und mir geht es so weit gut. Die Umstände sind schwierig.«

»Das haben wir alle gehört. Wie geht es dem Gnädigsten?«

»Es wird besser. Aber es dauert.« Frederike hatte keine Lust, noch weiter darüber zu sprechen. Es war immer so schmerzhaft, und jedes Mal kochte die Wut auf ihre Mutter erneut hoch. Wie hatte Stefanie es bloß zulassen können? Nicht nur zulassen, sie hatte Frederike geradezu ermutigt, diese Ehe einzugehen. Diese Ehe mit Ax von Stieglitz, der nicht nur vierzehn Jahre älter war als Frederike, sondern auch noch schwer an Tuberkulose erkrankt.

Leni war schon das Hausmädchen von Stefanie gewesen, als die Familie noch in Potsdam gewohnt hatte – sie kannte Frederike von klein auf und wusste ihre knappe Antwort zu deuten.

»Ich habe schon das Wasser ins Bad gelassen und werde noch heißes nachfüllen. Brauchst du Hilfe beim Auskleiden?«, fragte sie.

»Danke, Leni, das ist wundervoll. Und seit wann brauche ich Hilfe beim Auskleiden?« Frederike zwinkerte dem Zimmermädchen zu. »Bitte sorg dafür, dass nachher Gin-Fizz für mich bereitsteht. Irgendwie muss ich ja den Abend mit meinen Eltern überstehen.«

Frederike zog sich aus, legte neue Kleidung zurecht. Auf Sobotka hatte sie viel Personal – aber sie brauchte es nicht. Der Haushalt lief, zwar noch nicht wie am Schnürchen, aber er lief. Sorgen machte ihr das Gut selbst. Sie konnte zwar dem Haushalt vorstehen, aber wie man ein so großes Gut führte, das wusste sie nicht. Ax war ihr keine Hilfe und würde es in absehbarer Zeit auch nicht sein. Deshalb musste sie unbedingt mit Onkel Erik, ihrem Stiefvater, sprechen. Und darum war sie hier.

Nun aber ging sie über den Flur und in das Badezimmer. Dampf waberte durch den Raum, der große Spiegel war beschlagen. Frederike legte den Bademantel auf den Schemel und stieg in die gusseiserne Wanne mit den Klauenfüßen. An der Seite lag die duftende Seife, die Schneider selbst herstellte. Frederike liebte den Geruch, sie würde die Köchin bitten, ihr einige Seifenstücke mitzugeben. Dann hätte sie wenigstens den Geruch der Heimat auf Sobotka.

CHAPTER 2

»Freddy, was für eine Freude, dich zu sehen.« Erik von Fennhusen schloss seine Stieftochter in die Arme. »Wie geht es dir?«

»Mir geht es gut, Onkel Erik. Aber ich muss mit dir reden.«

»Ja, ich habe deine Briefe bekommen. Es dauert wohl noch, bis das Essen serviert wird. Lass uns in den Salon gehen. Möchtest du etwas trinken?«

Frederike schaute sich um. »Wo ist Mutter?«

»Sie hat noch zu tun und wird erst zum Essen zu uns stoßen.«

Frederike versuchte ihre Erleichterung nicht zu zeigen. »Ich hätte gerne einen Gin-Fizz und dazu eine Karaffe Wasser.«

»Mit einem Spritzer Zitrone? Nicht zu kalt, aber auch nicht zu warm?« Erik von Fennhusen zwinkerte ihr zu. Das war eine Familienanekdote und bezog sich auf den ersten Hauslehrer, den Frederike und ihre Geschwister gehabt hatten. Er bestand immer auf einer Karaffe Wasser an seinem Pult, mit etwas Zitrone. Und er hatte daraus fast jeden Morgen ein Drama gemacht.

»Wasser à la Obermann wäre ein Traum«, sagte Frederike und lachte auf. »Herrje, wie lange das her zu sein scheint – eine Ewigkeit.« Sie folgte Erik in den Salon. Im Kamin brannte altes Tannenholz – sehr harzig –, immer wieder knackte es.

Frederike stellte sich vor den Kamin und streckte die Hände aus. »Ich liebe diesen Geruch.«

»Tanne ist kein gutes Brennholz, aber dies ist wenigstens abgelagert. GinFizz wolltest du?« Onkel Erik ging zur Anrichte und mixte die Drinks. »Eis und Zitronensaft ist schon da. Gerulis hat wohl mitgedacht, Gin-Fizz ist ja dein Lieblingsdrink.« Er nahm die Gläser, kam zu Frederike. »Bitte.«

(Continues…)



Excerpted from "Die Jahre der Schwalben"
by .
Copyright © 2017 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin.
Excerpted by permission of Aufbau Digital.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

Über Ulrike Renk,
Informationen zum Buch,
Newsletter,
Die Güter, die Bewohner und die wichtigsten Leute,
Nachwort,
Danksagung,
Impressum,

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews