Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter: Satirischer Roman
140Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter: Satirischer Roman
140eBook1., digitale Ausgabe (1., digitale Ausgabe)
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Overview
Product Details
ISBN-13: | 9783944163307 |
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Publisher: | Hierophant Verlag |
Publication date: | 05/01/2013 |
Sold by: | Libreka GmbH |
Format: | eBook |
Pages: | 140 |
File size: | 481 KB |
Age Range: | 16 - 18 Years |
Language: | German |
About the Author
Read an Excerpt
Kapitel 1 Mein Name ist, so sagen wir mal, Gerlinde Möchtegern. Er erklärt sich nach ein paar Seiten dieses Buches von allein. Die Jahre, die meine zierlichen Schultern tragen, zählen unglaubliche 35 und doch würden die meisten Menschen, bei einer flüchtigen Begegnung mit mir, behaupten, ich wäre eben um die 20 Jahre alt. Was, so kann ich Ihnen sagen, nicht immer von Vorteil ist. Meine größten Vorbilder sind Kylie Minogue, Madonna und Anastacia, um nur einige zu nennen. Wir haben nämlich eines gemeinsam und das ist die geringe Körpergröße. Nach meinem Wissen kommen wir alle nicht über 1,58 m hinaus. (Gott sei Dank nur im Einzelzustand, es ist nicht unsere Stapelhöhe gemeint.) Ich muss zu meiner Schande gestehen, auch kein bisschen leiser zu sein. Eigentlich wollte ich es gar nicht erwähnt haben, aber meine Familie wollte schon eine Überflug- Genehmigung beantragen, da ich, was die Lautstärke angeht, mit jedem Düsenflugzeug konkurrieren konnte. Man glaubt es kaum, doch sie wurde nicht genehmigt. Leider ist um unser Grundstück herum auch kein Platz für einen Lärmschutzwall. Den hätten meine Lieben sonst schon längst errichten lassen, damit sie unsere Nachbarn von den durch mich entstandenen Ruhestörungen schützen konnten. Wenn ich mit unseren 3 Kindern, mittlerweile sind sie 11, 9 und 6 Jahre alt, spazieren gehe, werde ich nicht selten bewundernd angesprochen: „Du spielst ja so schön mit deinen Geschwistern!“, oder; „Da hat deine Mutter aber eine große Hilfe! Ich habe mich auch immer um meine Geschwister bemüht!“ Meistens erntete ich nur noch ein Kopfschütteln, nachdem ich den netten, meistens älteren Herrschaften klar gelegt hatte, wessen Kinder es waren. Ich möchte natürlich auf keinen Fall undankbar erscheinen und natürlich gibt es auch Vorteile, (mir fällt gerade keiner ein), für so jung gehalten zu werden. Dennoch kann es sehr diskriminierend sein, sich stets rechtfertigen zu müssen. Ich habe mich daher entschlossen, solche Vorwürfe wie dieser: „Mein Gott, die werden immer jünger, wenn die Kinder in die Welt setzen!“, oder: „Musste das denn sein? Schon so früh?“, zu überhören. Manchmal werde ich jedoch auf eine harte Probe gestellt. Können sie sich vorstellen, ihre mit ihrem Vor- und Zunamen versehene Tür zu öffnen und es wird nach ihren Eltern gefragt? Nicht, weil ein alter Bekannter vor ihnen steht, der ihre Eltern aus den Augen verloren hat und glücklich darüber ist, wenigstens Sie ausfindig gemacht zu haben? Nein! Dieser Mensch steht vor Ihnen und fragt Sie nach Ihren Eltern, da er vor hat, ein banales Haustürgeschäft abzuschließen und Sie noch nicht für geschäftsfähig hält. Nein? Das können Sie sich nicht vorstellen? Mir passieren solche Sachen. Es ist erst ein Paar Wochen her. Wie man das so im Allgemeinen macht, habe auch ich gleich, nachdem an meiner Tür geklingelt wurde, die selbige geöffnet. Vor ihr stand ein junger Mann. (Ich würde das Alter eigentlich schätzen, aber Sie verstehen, warum ich an dieser Stelle zögere, mein Votum abzugeben.) Nach einem kurzen „Hallo!“ von meiner Seite, hörte ich mein Gegenüber in dem Sprachrhythmus von Dieter-Thomas Heck sagen: „Hallo! Ich bin von der Telekom. Ist vielleicht Mama, Papa oder Oma und Opa zu Hause?“ Angesteckt von der Geschwindigkeit seiner Worte entgegnete ich ihm ein knappes und zudem noch wahrheitsgetreues: „Keiner da!“, und schloss die Tür. Und als wenn das nicht schon schlimm genug gewesen wäre für eine fast 40 jährige Frau, war mir das doch tatsächlich innerhalb einer Woche gleich zwei Mal passiert. Zugegeben, das zweite Mal trug sich ein wenig anders zu. Dieses Mal war die Person vor meiner Tür eine Frau und darum hat sie wahrscheinlich etwas früher gemerkt, wen sie dort vor sich hat. Sie sind der Meinung, dass ich ihnen ein Märchen aufgetischt habe? Sie sagen, das ist vollkommen unglaubwürdig? Mir würde das genau so gehen! Dennoch können sie mir glauben, schließlich war ich dabei! Wenn ich so darüber nachdenke, hatte ich selber Schuld, dass man nicht erkennen konnte, dass die Haustür, die ich in Händen hielt, meine eigene war. Vielleicht war es ein Tag wie jener. Na, eben so einer von diesen, an denen man noch nicht einmal gut gelaunt aus dem wohligen Bett steigt. Einer von diesen, an denen man nicht einmal gute Erwartungen aufzubringen vermag. Und so macht man, weil einem nichts Anderes übrig bleibt, den Kleiderschrank auf und er ruft einem, mit unverschämter Schadenfreude, entgegen: „Es ist nichts, aber auch gar nichts in mir, was du anziehen könntest!“ Mit Überschwang und höhnischem Gelächter ruft er Ihnen beim Schließen der Tür noch entgegen: „Ich wünsche dir einen schönen und nicht zu kalten Tag!“ Nicht, dass ich nichts zum Anziehen gehabt hätte, doch die geeignete Bekleidung für jenen Tag befand sich nur leider wieder in der Dreckwäsche. Den Wäschesack schienen meine Kleider, und auch die meiner gesamten Familie, den Schränken vorzuziehen. (Ich nehme an, dort ist es wohlig warm und weich und sie haben ihre Ruhe. Der Wäschesack ist wahrscheinlich nicht so kiebig wie der Schrank!) An solchen Tagen bleibt mir meistens nichts Anderes übrig, als mich für meinen rosafarbenen Pulli, die enge blaue Jeans und meine knallroten Turnschuhe zu entscheiden. Zugegeben, ein gewagtes Outfit für eine fast 40 jährige Frau, doch ich mag es sehr. Und dennoch, wehe es wagt sich jemand, mich auf mein Alter anzusprechen! Ich habe einfach keine Lust, meine knappe Zeit mit Make-up und Lidschatten im Badezimmer zu verbringen, damit ich meine noch oberflächlichen Falten heraus arbeite, um mich meinem Alter anzunähern. Mit siebzehn Jahren hatte ich dafür noch genügend Zeit. Damals habe ich es auch für durchaus legitim gehalten, in der Disco meinen Personalausweis vorzeigen zu müssen. Heute bin ich, beinahe ohne nennenswerte Ausnahmen, die Einzige aus unserem Bekanntenkreis, der in unserer Diskothek Einlass gewährt wird, da natürlich junges Publikum erwünscht ist und die Alten nur stören würden. Ich habe dabei nur ein Problem, was soll ich alleine in der Disco? Und das, obwohl ich meine Zeit immer schon lieber in einer gemütlichen Kneipe oder im Kino mit einem schönen schmalzigen Film mit Meg Ryan verbracht habe. In meiner Pubertät habe ich mich gerne von der Allgemeinheit abgehoben. Nach dem Ende eines langen Schultages schmiss ich meine Hosen und Sweatshirts, mit den dazugehörigen Konventionen, in eine Ecke meines Zimmers. Ich tauschte sie durch zumeist sehr süße, kleine, lebensbejahende, pechschwarze Miniröcke und die dazugehörige farbenfrohe Kriegsbemalung (wie mein Vater immer zu sagen pflegte) ein. Während meiner Lehrzeit habe ich gelernt, meine Miniröcke lieber im Schrank zu lassen und mich anzupassen. Ich habe mir gesagt: „Jeder muss einmal erwachsen werden!“ Seit diesem Tag ist viel Zeit vergangen und ich habe begriffen, dass zum Erwachsen werden etwas mehr gehört, als ein paar Kleidungsstücke im Schrank verschwinden zu lassen. Der erste Tag, an dem mir das bewusst wurde, war der, an dem wir in unser Haus gezogen sind. Dieser Tag sollte sich als Schlüssel meines Lebens heraus stellen. Irgendwer hatte die Tür hinter mir abgeschlossen und den Schlüssel verschwinden lassen. Genau an diesem Tag, als der Möbelwagen vor unserer Tür stand und der Umzug nicht mehr zu stoppen war, wusste ich, dass sich mein Leben massiv verändern würde. Wie genau und was sich ändern würde, das wusste ich allerdings nicht.