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Mona liebte Ingo trotz seiner Fehler von ganzem Herzen. Sie selbst war allerdings auch eine heiße Partie. Eine Menge Männer würden bei ihr Schlange stehen, wenn sie nicht eindeutig wüssten, dass sie bei Ingo in festen Händen war. Er stach jede Konkurrenz mit Leichtigkeit aus. Ingo war ein Gewinner, dem zudem jegliche Arroganz oder Großspurigkeit fehlte. Stattdessen war er auf eine sehr natürliche, zurückhaltende und ruhige Art selbstbewusst, dazu noch hilfsbereit und respektvoll gegenüber Älteren. Monas Mutter liebte Ingo beinahe ebenso wie sie selbst es tat. Ihr Vater akzeptierte ihn bereitwillig und sah in ihm schon den späteren Schwiegersohn. Mona strich sich die brünetten Haare aus den Augen. Die frische Nachmittagsbrise wehte ihre Ponyfrisur durcheinander. Der Himmel war blau und die Herbstsonne tauchte den Nachmittag in ein mildes, goldgelbes Licht. Dennoch konnte das alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Sommer längst verabschiedet hatte und der Winter sich bald bemerkbar machen würde. Ein Wagen ging vom Gas, wurde langsamer und hielt in einiger Entfernung. Ein fetter Geländewagen in Silbergrau. Er stand jetzt in etwa zweihundert Metern Entfernung von ihnen auf dem Standstreifen und hupte kurz hektisch und mehrfach hintereinander. "Der hat's eilig", stellte Ingo fest, wandte sich von der Leitplanke ab und schnappte sich den Rucksack aus dem Gras. Sie liefen los. Mona hielt mit ihm Schritt, die Jutetasche in der Hand. Gemeinsam eilten sie auf den Wagen zu. Hinter den fast schwarz getönten Scheiben war nichts zu erkennen, nicht mal die Umrisse von Personen. Wie viele sich wohl in dem Wagen befanden? Es war ein geräumiger Schlitten, der sicher genug Platz für Mona, Ingo und ihr bisschen Gepäck bot. Es kam nicht oft vor, dass sie in ausgesprochenen Nobelautos mitfahren durften. Meist waren es Kompakt- oder Mittelklassewagen. Auch mal ein Familienvan, ein Transporter oder LKW. Ab und an auch mal eine richtige Rostlaube mit Aufklebern dran, die sich gegen Kernkraft, für Frieden, gegen Fleischverzehr, für Cannabis, gegen rechts und für Che Guevara aussprachen. Unter den Fahrern, die Tramper mitnahmen, waren wohl etliche, die früher selbst mal getrampt hatten und wussten wie das war, wenn das x-te Auto ignorant an einem vorbeifuhr ohne anzuhalten. Mona vermutete, dass die Quote anders aussähe, wenn sie als junge Frau alleine trampen würde. Dann wären wohl etliche der geschäftsreisenden Selbstfahrer bereit, sie mitzunehmen. Jetzt also eine rühmliche Ausnahme: eine Karre zum Preis einer kleinen Eigentumswohnung wartete darauf, sie zu befördern. Als sie näher kamen, hörten sie den kräftigen Motor des Geländewagens gedämpft vor sich hin wummern. Eine Musikanlage spielte laute Popmusik.