Nachdem die historische Forschung in den letzten Jahren nachgewiesen hat, dass Herodians Geschichtswerk mangels eigenstandiger oder verlasslicher Informationen als Quelle fur die historische Rekonstruktion der Ereignisgeschichte der dargestellten Zeit (180-238 n.Chr.) weitgehend ausscheiden muss, stellt sich um so dringender die Frage nach der literarischen Form und nach den Darstellungszielen dieses oft als 'historischer Roman'bezeichneten Werkes. Hidber geht diese Frage von verschiedenen Seiten an. Ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte macht zunachst deutlich, unter welch unterschiedlichen Pramissen das Werk seit der Spatantike zuerst als Informationsquelle und Stilmuster, dann als Furstenspiegel und schliesslich als zweitklassiges rhetorisches Machwerk gelesen bzw. benutzt wurde. Eine Analyse des Proomiums zeigt anschliessend, dass dem Leser eine auf die jeweiligen Herrscher fokusierte Darstellung der Zeitgeschichte seit Marc Aurel angekundigt wird, als deren wichtigste Charakteristika die Haufung der Herrscherwechsel und das Phanomen der Erhebung ganz junger Kaiser herausgehoben werden. Das dritte Kapitel untersucht sodann aus narratologischer Perspektive Aufbau und Gliederung des Werkes und stellt die zentrale Bedeutung der Machtwechselgeschichten heraus, durch deren Verkettung ein insgesamt sehr dynamisches Bild der Zeitgeschichte entsteht. Abschliessend werden die der Darstellung zugrunde gelegten Qualitatskriterien (Paideia, Lebenserfahrung, Herrschertugenden) erlautert, anhand derer das Scheitern so vieler Herrscher in so kurzer Zeit verstandlich gemacht wird.