Madame Picasso: Roman

Der Maler und seine Muse. Er war der größte Künstler des Jahrhunderts - sie war die Liebe seines Lebens.

Paris, 1911: Auf der Suche nach einem neuen Leben kommt die junge Eva in die schillernde Metropole. Hier, im Herzen der Bohème, verliebt sie sich in den Ausnahmekünstler Pablo Picasso. Gegen alle Widerstände erwidert er ihre Gefühle, und eine der großen Liebesgeschichten des Jahrhunderts nimmt ihren Lauf. Eva wird Picassos Muse – und ihr Aufeinandertreffen wird sein Leben für immer verändern ...

Berührend, sinnlich, voller Leidenschaft – und die wahre Geschichte einer hingebungsvollen Liebe.

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Madame Picasso: Roman

Der Maler und seine Muse. Er war der größte Künstler des Jahrhunderts - sie war die Liebe seines Lebens.

Paris, 1911: Auf der Suche nach einem neuen Leben kommt die junge Eva in die schillernde Metropole. Hier, im Herzen der Bohème, verliebt sie sich in den Ausnahmekünstler Pablo Picasso. Gegen alle Widerstände erwidert er ihre Gefühle, und eine der großen Liebesgeschichten des Jahrhunderts nimmt ihren Lauf. Eva wird Picassos Muse – und ihr Aufeinandertreffen wird sein Leben für immer verändern ...

Berührend, sinnlich, voller Leidenschaft – und die wahre Geschichte einer hingebungsvollen Liebe.

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Overview

Der Maler und seine Muse. Er war der größte Künstler des Jahrhunderts - sie war die Liebe seines Lebens.

Paris, 1911: Auf der Suche nach einem neuen Leben kommt die junge Eva in die schillernde Metropole. Hier, im Herzen der Bohème, verliebt sie sich in den Ausnahmekünstler Pablo Picasso. Gegen alle Widerstände erwidert er ihre Gefühle, und eine der großen Liebesgeschichten des Jahrhunderts nimmt ihren Lauf. Eva wird Picassos Muse – und ihr Aufeinandertreffen wird sein Leben für immer verändern ...

Berührend, sinnlich, voller Leidenschaft – und die wahre Geschichte einer hingebungsvollen Liebe.


Product Details

ISBN-13: 9783841209108
Publisher: Aufbau digital
Publication date: 03/09/2015
Series: Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe , #1
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 478
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

Anne Girard studierte Englische Literatur und Psychologie. Für die Recherche zu diesem Roman reiste sie von Paris über die Provence nach Barcelona und traf Freunde und Zeitgenossen Picassos. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Südkalifornien.Mehr unter www.annegirardauthor.com.


Yasemin Dinçer, geboren 1983, studierte Literaturübersetzen und hat u. a. Werke von Paula McLain, Shirley Hazzard und David Harvey ins Deutsche übertragen.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Paris, Frankreich, Mai 1911

Eva stürmte um genau halb drei Uhr nachmittags um die Hausecke und wirbelte am plätschernden Springbrunnen auf der Place Pigalle vorbei. Sie war unentschuldbar spät dran, also raffte sie den blaukarierten Stoff ihres Kleides und rannte den belebten Boulevard de Clichy entlang, der im Schatten der hochaufragenden roten Windmühle des Moulin Rouge lag. Die Leute drehten sich nach der knabenhaften jungen Frau um – gerötete Wangen, blaue Augen, in ihrer Verzweiflung weit aufgerissen, und kaffeebraunes Haar, das im Wind wehte und sich mit der rubinroten Schleife ihres Strohhutes verhedderte, den sie mit einer Hand fest an den Kopf gedrückt hielt. Ihre knielange Unterhose kam unter dem Kleid zum Vorschein, doch sie scherte sich nicht darum. Eine Chance wie diese würde sie nie wieder bekommen.

Sie lief an zwei glänzenden Pferdekutschen vorbei, die mit einem Automobil um den Platz auf der Straße konkurrierten, und bog dann in die schmale Gasse zwischen einer Kurzwarenhandlung und einer Pâtisserie mit steifer rosa-weißer Markise ein. Ja, das musste die Abkürzung sein, die Sylvette ihr beschrieben hatte, aber das Kopfsteinpflaster verlangsamte ihre Schritte. Zu weit von der Sonne entfernt, um jemals wirklich zu trocknen, waren die grauen Steine moosbedeckt, und sie rutschte mehrmals aus. Dann lief sie durch eine ölige schwarze Pfütze, und ihre Strümpfe und die schwarzen geknöpften Schuhe wurden im letzten Moment vor ihrer Ankunft noch nass gespritzt.

»Sie kommen zu spät!«, donnerte ihr eine Stimme entgegen, als sie mit vor Panik schwirrendem Kopf zum Stehen kam.

Die Garderobiere mittleren Alters, die sich vor ihr aufbaute, eingerahmt vom Bogen der Tür, die hinter die Bühne führte, war von bedrohlicher Größe. Madame Léautaud hatte ihre knochigen Hände in die breiten Hüften gestemmt, die in einem groben schwarzen Samtkleid unter dem fest geschnürten Korsett steckten. Der hohe Spitzenkragen bedeckte ihren Hals vollkommen, und ihre Handgelenke waren unter Spitzenbündchen verborgen. Unter einem schieferfarbenen Haarknoten verzog sich ihr flächiges Gesicht zu einem Ausdruck offener Geringschätzung.

Evas Brust hob und senkte sich hastig vom Rennen, und sie spürte das Brennen in ihren Wangen. Sie hatte den ganzen Weg von Montmartre den Hügel hinunter und über die Place Pigalle zu Fuß zurückgelegt. »Verzeihen Sie, Madame! Wirklich, ich verspreche Ihnen, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte!«, sprudelte es aus ihr hervor, während sie versuchte, zu Atem zu kommen, da ihr bewusst war, dass sie wie eine Vogelscheuche aussehen musste.

»Alberne Entschuldigungen gelten hier nicht, haben Sie mich verstanden? Die Leute zahlen für eine Vorstellung, und sie erwarten auch, eine zu sehen zu bekommen, Mademoiselle Humbert. Sie dürfen nicht der Grund für eine Verzögerung sein. Sie hinterlassen keinen besonders guten ersten Eindruck, wo es doch direkt vor einer Aufführung so viel zu tun gibt, das kann ich Ihnen sagen!«

In diesem Augenblick kam Evas Mitbewohnerin Sylvette in ihrem grünen Rüschenkostüm und ihren dichten schwarzen Strümpfen heraus in die Gasse gestolpert und trat neben sie. Ihr Gesicht war so stark geschminkt, dass es dem einer Puppe glich, mit langen schwarzen Wimpern und übermalten kirschroten Lippen. Ihr Haar, das die rötlich leuchtende Farbe von Baumrinde hatte, war geschickt zu einem Knoten auf ihrem Kopf hochgesteckt.

Eins der anderen Mädchen musste ihr von dem Aufruhr berichtet haben, denn Sylvette hielt noch einen offenen Tiegel mit weißem Gesichtspuder in der Hand, als sie zu Evas Rettung herbeieilte.

»Es wird nicht wieder vorkommen, Madame«, versprach Sylvette eifrig und legte schwesterlich den Arm um Evas schmale Schultern.

»Sie haben Glück, dass eine der Tänzerinnen sich bei der Probe ihren Unterrock und ihre Strümpfe aufgerissen hat und unsere übliche Näherin – wie Sie selbst ja bis gerade eben auch – nirgends zu finden ist, sonst würde ich Sie nämlich einfach fortschicken. Ach, ihr ganzen jungen Dinger kommt mit euren großen Augen an und denkt, eure hübschen Gesichter werden euch alle Türen öffnen, bis ihr etwas Besseres findet oder einen wohlhabenden Herrn aus dem Publikum dazu bringt, euch zu erobern, und dann werde ich hier einfach im Stich gelassen.«

»Ich kann sehr hart arbeiten, Madame, wirklich, und das wird nicht passieren. Ich habe kein Interesse daran, von einem Mann errettet zu werden«, erwiderte Eva mit so eifriger Gewissheit, wie sie ein zierliches Mädchen vom Lande mit riesigen blauen Augen nur aufbieten konnte.

Madame Léautaud konnte jedoch weder Naivität noch Ehrgeiz oder Schönheit gut ertragen, und so prallte Evas halbherziger Protest an ihr ab. Sylvette hatte sie noch am Morgen gewarnt – wenn sie diese Frau nicht von der Ernsthaftigkeit ihrer Ambitionen überzeugte, würde sie auf ihrem zarten Hintern landen und sich in ihrem gemeinsamen kleinen Zimmer in La Ruche (das so hieß, weil das Gebäude wie ein Bienenstock aussah) wiederfinden, ehe sie wusste, wie ihr geschah. Sylvette arbeitete schon seit über einem Jahr im Moulin Rouge, und sie war selbst nur eine Revuetänzerin in zwei Nummern, eine anonyme Gestalt im Hintergrund – eine, die niemals auch nur in die Nähe des Rampenlichts am vorderen Bühnenrand kam.

In diesem Augenblick traten drei Tänzerinnen in Kostümen, die aufwendiger waren als Sylvettes, durch die Tür, angelockt vom Geschimpfe ihrer Gewandmeisterin und begierig darauf, einen Streit mitzubekommen. In der gespannten Stille sah Eva, wie sie sie abschätzig begutachteten, ihre hübschen, bemalten Gesichter voller Herablassung. Eins der Mädchen stemmte die Arme in die Hüften, während sie die Augenbrauen spöttisch hochzog. Die anderen beiden Mädchen flüsterten sich etwas zu. Ihr Anblick versetzte Eva sofort zurück zu den grausamen Rivalinnen ihrer Jugend in ihrer Heimatstadt Vincennes – zu jenen Mädchen, denen sie ebenfalls nicht gut genug gewesen war. Sie waren einer der vielen Gründe dafür gewesen, weshalb sie in die Stadt geflohen war.

Einen Moment lang konnte Eva keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr wurde schwer ums Herz.

Wenn sie diese Chance vertat ...

Sie hatte so viel gewagt, nur um die Vorstadt zu verlassen. Vor allen Dingen die Missbilligung ihrer Familie. Sie wollte nichts anderes, als hier in Paris etwas aus ihrem Leben zu machen, doch bislang hatte ihr Streben sie noch nicht weit gebracht. Eva wandte den Blick ab, als sie spürte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Sie durfte nicht zulassen, dass Mädchen wie diese zu sehen bekamen, wie schwach sie war. Niemand durfte wissen, dass sie es mit ihren vierundzwanzig Jahren noch immer nicht gelernt hatte, ihre Gefühle zu kontrollieren. Von dieser einen Chance hing nach einem erfolglosen Jahr in Paris einfach zu viel ab, als dass sie es riskieren konnte, als empfindlich zu gelten.

»Hoffen Sie vielleicht, auch Tänzerin zu werden, wie eine von denen?«, fragte Madame Léautaud und wies mit einem kurzen scharfen Nicken auf die anderen Mädchen. »Jede von ihnen hat es viel Anstrengung und jahrelanges Üben gekostet, hier zu sein. Wenn das also Ihre Absicht sein sollte, würden Sie nur noch mehr von meiner und auch Ihrer eigenen Zeit verschwenden.«

»Ich bin gut darin, Spitze auszubessern«, zwang Eva sich, ohne Stocken zu erwidern.

Und das stimmte. Tatsächlich hatte ihre Mutter, schon seit Eva denken konnte, wundervolle Kreationen aus Spitze erschaffen. Einige davon hatte sie aus Polen mit nach Frankreich gebracht. Die kleinen sorgfältigen Nadelstiche waren ihr Vermächtnis, das Madame Gouel ihrer Tochter mitgegeben hatte. Darauf würde Eva immer zurückgreifen können, um beim Begleichen von Rechnungen zu helfen, wenn sie erst einmal einen netten Mann aus dem Ort geheiratet und sich in ein vorhersehbares, ruhiges Leben eingefunden hatte. Zumindest war es das, was ihre Eltern sich für sie erhofft hatten, bevor es ihre Tochter kurz nach ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag nach Paris gelockt hatte. Dies war nun die erste Chance auf eine Anstellung in der Stadt, die sich Eva bot, und sie hatte nur noch so wenig Geld übrig, dass sie sie einfach ergreifen musste.

Sylvette gab keinen Ton von sich, aus Angst, ihre eigene unsichere Stellung in Gefahr zu bringen, wenn sie noch ein weiteres Wort zu Evas Unterstützung sagte. Sie hatte Eva diese Gelegenheit verschafft – hatte ihr erzählt, dass das Moulin Rouge eine zusätzliche Näherin brauchte, weil die Tänzerinnen sich ständig etwas aufrissen, wenn sie ihre Beine in die Luft schleuderten oder sich auf den Boden fallen ließen. Was Eva nun daraus machte, hing allein von ihr selbst ab.

»In Ordnung, ich werde Sie also zur Probe behalten«, ließ sich Madame Léautaud naserümpfend zu einer Antwort herab. »Aber nur, weil ich mich in einer Notlage befinde. Kommen Sie und flicken Sie Aurélies Unterrock. Machen Sie schnell, und zeigen Sie mir Ihre Arbeit, während die anderen proben.«

»Oui, Madame.« Eva nickte. Sie fühlte sich vor Dankbarkeit überwältigt, riss sich jedoch zusammen und zwang sich zu lächeln.

»Sie sind wahrhaftig ein winziges Ding, eine kleine Nymphe beinahe. Nicht gänzlich unattraktiv, das muss ich sagen. Wie heißen Sie noch mal?«, fragte Madame Léautaud beiläufig.

»Marcelle. Marcelle Humbert«, antwortete Eva, die all ihren Mut zusammennahm, um ihren neuen Pariser Namen zu nennen, von dem sie hoffte, dass er ihr Glück bringen möge.

Seit jenem Tag, an dem sie in ihrem übergroßen Tuchmantel und ihrem schwarzen Filzhut, mit ihren Habseligkeiten in einer alten Reisetasche, allein in der Stadt angekommen war, wurde Eva Gouel von eiserner Entschlossenheit getrieben. Sie wollte Paris um jeden Preis erobern, auf welche Weise auch immer und so unrealistisch ein solch hochtrabendes Ziel auch sein mochte. Sie hoffte, dass diese erste Arbeitsstelle den Beginn von etwas Wunderbarem markieren würde. Immerhin, dachte Eva, waren schon seltsamere Dinge geschehen.

Madame Léautaud reckte ihr vom schwarzen Spitzenkragen umsäumtes Kinn in die Höhe, drehte sich um und ging die wenigen Schritte zurück zum offenen Bühneneingang, wobei sie Eva ein Zeichen gab, ihr zu folgen. Und so erhaschte diese ihren ersten Blick in die verborgene Phantasiewelt – in das Innere des berühmten Moulin Rouge.

Die Wände hinter der Tür waren vollständig schwarz gestrichen und mit Schnörkeln und Wirbeln in goldener Farbe verziert. Schwere rote Samtvorhänge säumten die Wände, so dass der Raum aus dieser Entfernung wie eine herrliche exotische Höhle anmutete. Es war eine fremde, verführerische Welt, in die Eva nun eintreten würde, und in diesem Augenblick pochte ihr Herz ebenso vor Begeisterung wie vor Angst.

Sie versuchte, sich nicht allzu auffällig umzusehen, während sie Madame Léautaud folgte. Hinter dem Rücken versteckt rang sie ihre Hände, und ihr Puls raste. Sie wusste nicht, wie sie es hinbekommen sollte, sich so weit zu beruhigen, dass sie einen Faden durch ein Nadelöhr führen könnte. Hinter der Bühne war es selbst bei Tageslicht düster. Sie roch verschütteten Alkohol und einen Hauch Parfüm. Dieser Ort hatte tatsächlich etwas Verhängnisvolles an sich, dachte sie, aber das machte das Ganze nur noch aufregender. Als weitere kostümierte Tänzerinnen auf dem Weg zur oder von der Bühne an ihr vorbeiliefen, erkannte sie einige von ihnen von den farbenfrohen Plakaten, die überall in der Stadt hingen. Da waren La Mariska, die Ballerina, Mado Minty, die erste Solotänzerin, und die wunderschöne Comédienne Louise Balthy, die sowohl die Tiroler Puppe Caroline als auch La Négresse verkörperte. Da waren Romanus, der Dompteur, Monsieur Toul mit seinen komischen Liedern und die spanische Tanztruppe mit ihren kurzen roten Bolerojäckchen und schwarzen Fransenhüten.

Eva hatte nie gewusst, was sie tun würde, wenn sie einen dieser gefeierten Darsteller tatsächlich einmal zu Gesicht bekam oder gar persönlich traf. Die Aussicht darauf war beängstigend und prickelnd zugleich gewesen.

Und wenn Madame Léautaud sie nun doch noch abwies, nachdem sie schon so nahe dran war? Würde sie gezwungen sein, wieder in die Vororte von Paris zurückzukehren? Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie würde nicht nach Vincennes zurückgehen. Wenn sie aber in Paris weiter keine Arbeit fände, hätte sie kaum eine andere Wahl. Louis' Werben anzunehmen, seine Geliebte zu werden, damit er sich um sie kümmern konnte, wäre dann wohl die einzige Möglichkeit, die ihr noch blieb.

Armer Louis. Er war die zweite Person, mit der sie sich hier angefreundet hatte. Sylvette hatte sie einander vorgestellt. Da er Pole war, wie ihre Mutter, und weil sie alle in La Ruche wohnten, war ihre Freundschaft rasch besiegelt. Von da an waren die drei unzertrennlich gewesen.

Auch an diesem Tag war Eva mit Louis zusammen gewesen, bis sie sich für ihr Vorstellungsgespräch im Moulin Rouge fortgestohlen hatte. Sie wusste selbst nicht genau, warum, vielleicht war es Aberglaube, aber sie hatte kein Wort über ihren Termin über die Lippen gebracht. Als schwache Entschuldigung hatte sie lediglich vorgebracht, sie hätte etwas vergessen, was sie noch dringend erledigen müsste, womit sie ihn stehengelassen hatte und um die Ecke verschwunden war. Er war gerade kurz davor, Vollards Laden zu betreten und seine Mappe voller Aquarelle zu öffnen, und hörte ihr kaum zu, selbst aufgeregt vor seinem schicksalhaften Gespräch. Ambroise Vollard war ein berühmter Kunsthändler oben auf dem Hügel in der kopfsteingepflasterten Rue Laffitte, der sich nach Monaten endlich einverstanden erklärt hatte, sich Louis' Arbeiten anzusehen.

Louis, der eigentlich Ludwig hieß, hatte an der Académie Julian Kunst studiert. Abends malte er, ansonsten zeichnete er Karikaturen für La Vie Parisienne, um die Miete bezahlen zu können. Ihn frustrierte die Tatsache, dass seine wunderbaren impressionistischen Aquarelle sich im Gegensatz zu seinen Karikaturen nicht verkauften.

Louis hatte Eva Geld geliehen und sie im letzten Jahr regelmäßig zum Essen eingeladen, um ihr unter die Arme zu greifen. Auch wenn sie ihn nicht zum Liebhaber wollte, mochte sie ihn dennoch nicht im Stich lassen. Loyalität bedeutete ihr viel.

Nun stand sie in der Garderobe hinter der Bühne vor Madame Léautaud, während diese den Saum begutachtete, den Eva soeben geflickt hatte.

»Ihre Arbeit ist so fein, dass ich weder die Stiche noch den Riss erkennen kann!«, rief die Garderobiere mit einer Mischung aus Bewunderung und Irritation aus. »Sie können heute Abend bei uns anfangen. Seien Sie um Punkt sechs Uhr wieder hier. Und kommen Sie diesmal nicht zu spät.«

»Merci, Madame«, sagte Eva, darauf bedacht, dass ihre Stimme nur eine leise Spur von Zuversicht andeutete. Eine lachende Gruppe Theatertechniker und Bühnenhelfer lief an ihnen vorbei.

»Während der Vorstellung werden Sie in den Kulissen auf Ihren Einsatz warten. Sylvette wird Ihnen zeigen, wo, damit Sie nicht im Weg herumstehen. Wenn einer der Darsteller ein Kostüm repariert bekommen muss, werden Sie nur sehr wenig Zeit haben, um einen Saum auszubessern oder einen Knopf, einen Ärmelaufschlag oder einen Kragen wieder anzunähen. Sie dürfen nicht trödeln, haben Sie verstanden? Unsere Gäste zahlen ihr gutes Geld nicht, um sich zerrissene Kostüme anzuschauen, aber eine Unterbrechung im Fluss der Vorstellung wollen sie genauso wenig sehen.«

Dann beugte sich Madame Léautaud zu ihr hinüber und murmelte leise: »Sehen Sie, Mademoiselle Balthy, unsere wunderbare Comédienne, hat sichtbar zugelegt. Wir können das Korsett zwar so eng schnüren, dass sie gerade noch in ihr Kostüm passt, aber sie reißt sich regelmäßig ihre Unterhosen auf, wenn sie nach ihren übertriebenen Sprüngen mal wieder auf dem Hintern landet.« Madame Léautaud verkniff sich ein wissendes Lächeln und zwinkerte.

Kurz darauf stand Eva wieder draußen in der schmuddligen Gasse und verspürte zum ersten Mal in ihrem Leben die ungeheure Erregung eines Sieges. Als sie in die Rue Laffitte zurückeilte, um Louis wiederzutreffen, fühlte sie sich fast so, als könnte sie fliegen.

Eva nahm die Seilbahn den Hügel hinauf und eilte, so schnell sie konnte, zurück zu Monsieur Vollards Laden. Es war großartig gewesen, in den vergangenen Monaten einen polnischen Vertrauten in Paris zu haben – jemanden, der ihre Gedanken und Ziele auf eine Weise verstand, für die es keiner französischen Wörter bedurfte –, und sie wollte dieses Glück nicht aufs Spiel setzen, indem sie einen Freund im Stich ließ.

Louis war wie ein Bruder für sie, auch wenn sie wusste, dass er sich wünschte, es wäre mehr zwischen ihnen. Doch sie waren sich zu ähnlich, um zueinander zu passen. Er war verlässlich und liebenswürdig, und seit ihrer Ankunft in Paris war Eva auf diese Eigenschaften viel dringender angewiesen als auf Romantik.

Der arme Louis, blass, hoch aufgeschossen, mit graublauen Augen, der im Schatten von Evas großen Träumen lebte. Er hatte seinen schweren polnischen Akzent noch immer nicht abgelegt, und im Gegensatz zu ihr strebte er auch nicht nach dieser besonderen Art des Pariser Stils. Er wichste sich immer noch sorgfältig die Enden seines bräunlichen Schnurrbarts, trug zum Ausgehen einen schwerfälligen Zylinder, seinen Lieblings-Cutaway mit nur einem Knopf und zweifarbige Stiefeletten, wie es vor zehn Jahren der Mode entsprochen hatte.

Dennoch war es Louis gewesen, der sich den Namen Marcelle für sie ausgedacht hatte, und dafür würde sie ihm für immer dankbar sein, denn Marcelle hatte ihr Glück gebracht. In einer kleinen gemütlichen Brasserie namens Au Lapin Agile, die auf einem kleinen Hügel in Montmartre lag, hatte Louis sie über einem Glas Wein scherzhaft zu einer richtigen Pariserin erklärt, indem er ihr einen Namen gab, der ganz und gar französisch klang.

(Continues…)



Excerpted from "Madame Picassso"
by .
Copyright © 2014 Diane Haeger.
Excerpted by permission of Aufbau Digital.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

Informationen zum Buch,
Teil 1: Ehrgeiz, Kunst, Leidenschaft,
Teil 2: Ruhm, Liebe, Genie,
Teil 3: Krieg, Krankheit, Erlösung,
Anmerkung der Autorin,
Danksagung,
Anhang,
Fragen zur Diskussion,
Ein Gespräch mit Anne Girard,
Quellennachweis,
Über Anne Girard,
Impressum,
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