![Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnung: Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren](http://img.images-bn.com/static/redesign/srcs/images/grey-box.png?v11.9.4)
Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnung: Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren
370![Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnung: Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren](http://img.images-bn.com/static/redesign/srcs/images/grey-box.png?v11.9.4)
Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnung: Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren
370eBook
Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
Related collections and offers
Overview
Karsten Kruschel wuchs in Magdeburg auf, wo er auch Bühnenerfahrung als Kabarettist sammelte. Erste Veröffentlichungen mit dreizehn in der Pionierzeitung "Trommel", Mitglied im "Zirkel schreibender Arbeiter" und aktiv in der FDJ-Poetenbewegung; mehrfach Teilnehmer beim Poetenseminar in Schwerin. In Klein Wanzleben abolvierte er eine Facharbeiterlehre und begann 1979 ein Studium der Pflanzenproduktion in Halle/Saale, das er nach einem Semester abbrach. Er arbeitete danach als Hilfspfleger in einer Magdeburger Nervenklinik, erste Erzählungen erschienen im Magazin "Neues Leben". 1980 bis 1984 studierte er in Magdeburg Pädagogik (Deutsch und Geschichte). Während dieser Zeit begann er damit, Rezensionen zu verfassen, die zuerst in der Magdeburger Volksstimme, später auch in anderen Publikationen erschienen. Studienabschluss mit einer Diplomarbeit über die Science-Fiction-Literatur in der DDR. Ab 1984 Lehrer in Leipzig-Grünau und - kurz ehe er aus Altersgründen dem Wehrkreiskommando entgleiten konnte - Soldat in Eilenburg und Dresden. 1985 war das erste eigene Werk erschienen, eine Erzählung. 1987 ging Kruschel nach einem kurzen Lehrer-Zwischenspiel (wieder Grünau) als wissenschaftlicher Assistent an die Pädagogische Hochschule Leipzig, wo er mit einer Arbeit über die Science-Fiction-Literatur der DDR promovierte. Nach dem "Wende" genannten Ereignis - vermutlich nicht durch seinen 1989 veröffentlichten Band mit Erzählungen verursacht - kam ihm zusammen mit der DDR auch die Hochschule abhanden. Er arbeitete als Projektleiter am "Institut für Bildungsreform und Medienerziehung" und mehr als ein Jahrzehnt als Chefredakteur einer Baufachzeitschrift in Leipzig. Er hatte eine Zeitlang Jobs in Berlin als Public-Relations-Berater und als Agent in verschiedenen Call-Centern, ehe er sich 2010 als Redakteur und Autor selbständig machte. Der 2009 erschienene, in zwei Bänden publizierte Roman "Vilm. Der Regenplanet" und "Vilm. Die Eingeborenen" wurde vom Internetportal phantastik-couch.de zum Buch des Monats erklärt, für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert und 2010 mit dem Deutschen Science Fiction Preis als bester Roman des Jahres ausgezeichnet.
Product Details
ISBN-13: | 9783863943868 |
---|---|
Publisher: | EDITION digital |
Publication date: | 01/01/2012 |
Sold by: | CIANDO |
Format: | eBook |
Pages: | 370 |
File size: | 1 MB |
Language: | German |
About the Author
Read an Excerpt
Die Versorgung der USA-Bürger mit materiellen Gütern und Lebensnotwendigkeiten in Prokops Vision liegt, wie in einer Dystopie üblich, sehr im Argen und ist doch differenziert zu sehen. Sind die klassischen Dystopien von einer großen Gleichmacherei oder von Kastenbildung gekennzeichnet, so wird bei Prokop einfach so verteilt, wie es marktwirtschaftliche Systeme von jeher tun: Wer bezahlen kann, hat alles, wer wenig bezahlen kann, lebt ärmlich, wer nicht bezahlen kann, muss sehen, wo er bleibt. Irgendwelche »sozialen Netze« gibt es nicht. Milliardenschweren, langlebigen Bigbossen mit allem erdenklichen und auch undenkbaren Luxus an der oberen Spitze der sozialen Stufenleiter stehen am Ende dieser Stufenleiter analphabetische, ausgebeutete und jung sterbende »underdogs« gegenüber, für die schon ein an sich bedeutungsloser Ordnungsverstoß grenzenloses Glück bedeuten kann ─ das sich, wenn man sich die Lebensverhältnisse der Bigbosse betrachtet, allerdings zu reiner Lächerlichkeit verflüchtigt. Noch unterhalb und eigentlich außerhalb dieser sozialen Schichtung stehen die ─ in der Regel völlig unschuldig verurteilten ─ Sträflinge sowie die Unpersonen: In keinem Computer erfasste und deshalb amtlicherseits gar nicht existierende Menschen, die im »underground« oder in den als verwüstet und unbewohnbar geltenden »nolands« leben.
Generell gilt auch in diesem Bereich, dass Prokop Entwicklungen der siebziger Jahre extrapoliert hat ─ durch eine alle Lebensbereiche vergiftende Umweltverschmutzung ist Trinkwasser zu einem äußerst kostbaren Gut geworden, alle auf natürlichem Weg hergestellten Nahrungsmittel sind sündhaft teuer, während für den Massenverbrauch nichts weiter zur Verfügung steht als die Erzeugnisse einer Surrogate herstellenden Industrie, die mit ihrer Produktion die Verseuchung der Umwelt weitertreibt. Diesen ─ sehr gegenwärtigen ─ Tatsachen entsprechend gehört neben der Sorge um Essen und Trinken auch die Angst vor radioaktiver Kontaminierung oder Umweltvergiftung zu den permanenten Lebenssorgen. Diese Aspekte einer dystopischen Gesellschaft, die in den klassischen Dystopien fast völlig fehlen, arbeitet Prokop an einigen der Truckleschen Kriminalfälle deutlich heraus.
Die Versorgung der Bürger jener Prokopschen USA mit geistigen Gütern ist ebenso streng nach Zahlungskraft geordnet wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Umwelt: Künstlerische Genüsse und anspruchsvolle Freizeitinhalte sind den Bigbossen vorbehalten, die mitunter sogar Künstler zu einer Art von Leibeigenen machen, um allein in den Genuss der erbrachten Spitzenleistungen zu kommen. Für die wenig oder nicht Zahlungskräftigen bleibt Massen»kultur« in ihren plattesten Formen, meistens ebenso wie im materiellen Bereich blasse Surrogate und Billigprodukte ─ die Informationen, die die Bücher hierzu geben, weisen deutlich darauf hin, dass Prokop auf diesem Gebiet ein weiteres Mal reale Prozesse und Erscheinungen in die Zukunft hinein extrapoliert hat. Da diese Methode, wie oben bereits erwähnt, eine in der Science Fiction gängige ist, sehen die Ergebnisse dem ähnlich, was bereits in anderen Science-Fiction-Büchern zu finden war.
So ist jenes aus heutigem Fernseh-Unterhaltungs-Show-»Wesen« abgeleitete perverse TV-Spiel mit der Verfolgung eines Menschen durchs ganze Land, das Timothy Truckle so gut wie umbringt, bereits 1958 von Robert Sheckley in der (unter dem Titel Das Millionenspiel verfilmten) Erzählung The Prize of Peril geschildert worden (vgl. Alpers/Fuchs/Hahn/Jeschke 1987, S. 882), nachdem die beklemmende Idee einer übers Fernsehen ferngesteuerten Gesellschaft, die bereitwillig auch für Verbrechen benutzt werden kann, schon 1953 von Ray Bradbury in dem Roman Fahrenheit 451 gestaltet wurde. In jüngerer Zeit wurde das offenbar faszinierende Thema auch in moderner Action-Manier zu dem Schwarzenegger-Reißer Running Man verarbeitet.