Tödliches Beileid: Ein Fall für Mrs. Murphy

Tödliches Beileid: Ein Fall für Mrs. Murphy

Tödliches Beileid: Ein Fall für Mrs. Murphy

Tödliches Beileid: Ein Fall für Mrs. Murphy

eBook1. Auflage (1. Auflage)

$9.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

Aufruhr an der renommierten Privatschule St.-Elizabeth von Crozet: Zwei Mitglieder des Kollegiums müssen in der Zeitung ihre eigenen Todesanzeigen lesen. Wenig später stirbt einer von ihnen in der Autowaschanlage, der andere wird auf dem Halloween-Ball erdolcht. Als Postbeamtin ist Mary Minor »Harry« Haristeen die erste, die alle Gerüchte in der Stadt zu hören bekommt. Hatten die Pläne der beiden Männer für eine Filmabteilung an der Schule womöglich etwas mit ihrem Ableben zu tun? Wieder ein Fall, den nur Harry  mit ihrer klugen Tigerkatze Mrs. Murphy lösen kann.

 

Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!


Product Details

ISBN-13: 9783843715874
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 04/06/2018
Series: Ein Mrs.-Murphy-Krimi , #6
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 384
File size: 7 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin. Weitere Informationen finden Sie unter: ritamaebrown.com

Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.


Sneaky Pie Brown ist Co-Autorin von Rita Mae Brown. Beide leben in Crozet, Virginia.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Städte haben Seelen, genau wie Menschen. Die Kleinstadt Crozet, Virginia, 38° geographische Breite, 78° 60' geographische Länge, hatte die Seele eines irischen Tenors.

Dieser schöne 21. September, der Tag des Äquinoktiums, ließ alle Seelen, wenn nicht alle Stimmen emporschwingen – denn er war vollkommen: Sahnige Wolken trödelten über den türkisblauen Himmel. Die Blue Ridge Mountains thronten in ihrer ganzen Farbenpracht schützend über smaragdgrünen Weiden. Die Temperatur hielt sich bei 22 °C, und die Luftfeuchtigkeit war gering.

An diesem Donnerstag arbeitete Mary Minor Haristeen lustlos im Postamt. Als Posthalterin konnte sie nicht so einfach nach draußen laufen, war die Versuchung noch so groß. Ihre Tigerkatze Mrs. Murphy und ihre Corgihündin Tee Tucker schossen zum Tiertürchen hinein und hinaus, wobei die kleine Klappe jedesmal flappte. Das war für die Tiere wie Türenknallen für Teenager, und bei jedem Kommen und Gehen wurde Harry daran erinnert, daß sie bei der Arbeit festsaß, während die Tiere flüchten konnten.

Harry, wie sie genannt wurde, war fleißig, wenn auch ein bißchen ziellos. Mrs. Miranda Hogendobber, ihre Gefährtin im Postamt, war überzeugt, daß sich durch eine erneute Eheschließung die Frage nach ihrem Lebenszweck automatisch erübrigen würde. Für Miranda, die um etliches älter war als Harry, war die Ehe Zweck genug für eine Frau.

»Was summen Sie da?«

»›Ein feste Burg ist unser Gott‹. Das hat Martin Luther 1529 geschrieben«, klärte Mrs. H. sie auf.

»Sollte ich eigentlich kennen.«

»Ja, wenn Sie zu den Chorproben kämen!«

»Da ist nur die Kleinigkeit, daß ich nicht Ihrer Kirche angehöre.« Harry faltete einen leeren Leinenpostsack zusammen.

»Das könnte ich im Handumdrehen regeln.«

»Und was würde Reverend Jones dazu sagen? Er hat mich in der evangelischen Kirche von Crozet getauft.«

»Papperlapapp.«

Mrs. Murphy flitzte mit einer großen Grillenschabe im Maul durch die Tür, dicht gefolgt von Pewter, der dicken grauen Katze, die tagsüber im Lebensmittelladen nebenan ihr Unwesen trieb; abends fuhr sie mit Harry nach Hause. Market Shiflett, der Lebensmittelhändler, hatte erklärt, da Pewter nie eine Maus gefangen hätte und nie eine fangen würde, könnte sie ebenso gut mit ihren Freundinnen spielen gehen.

Zugegeben, Pewter war rund gebaut; ihr Schädel war rund, ihre Ohren, klein und zierlich, waren rund. Ihr Schwanz war etwas kurz geraten. Sie selbst bezeichnete sich als stämmig. Ihre graue Wampe wabbelte beim Gehen. Sie schwor, dies sei eine Folge »der Operation« und habe nichts mit ihrer Dickleibigkeit zu tun. In Wahrheit war es beides. Die Katze fraß für ihr Leben gern.

Mrs. Murphy, eine hübsche Tigerkatze, hielt sich fit, indem sie mit Inbrunst Mäuse fing.

Den beiden Katzen folgte Tee Tucker, der Hund.

Mrs. Murphy sprang mit einem Satz auf den Schalter, die Grillenschabe zappelte in ihrem Maul.

»Die Katze hat ein geflügeltes Ärgernis mitgebracht. Sie liebt das Töten«, sagte Miranda mißbilligend.

»Schaben haben keine Flügel.«

Miranda näherte sich der glänzenden braunen Beute, die im Kiefer der Katze klemmte. »Das ist ja eine Riesenschabe – die müßte eigentlich Flügel haben. Also, mir scheint, diese Schabe ist so groß wie eine Gottesanbeterin.« Sie legte das Kinn in die hohle Hand, was ihr ein weises Aussehen verlieh.

Harry schlenderte herbei, um die Schabe zu betrachten, gerade als Mrs. Murphy das Insekt mit einem raschen Biß in die Innereien erledigte und dann die Überreste auf den Schalter legte.

Der Hund fragte: »Du wirst die Schabe doch nicht essen, oder?«

»Nein, die Dinger schmecken gräßlich.«

»Ich esse sie«, erbot sich Pewter. »Jemand muß schließlich den Schein wahren! Immerhin sind wir alle Raubtiere.«

»Pewter, das ist ja widerlich.« Harry verzog das Gesicht, als das rundliche Tier die Grillenschabe vertilgte.

»Vielleicht sind sie wie Nachos.« Miranda Hogendobber hörte das laute Knacken.

»Nie wieder esse ich Nachos.« Harry funkelte ihre Mitarbeiterin und Freundin an.

»Auf das Knackige kommt's an. Darauf gehe ich mit Ihnen jede Wette ein«, zog Miranda sie auf.

»Du hast es erfaßt.« Als Antwort auf die Bemerkung der älteren Frau leckte sich Pewter die Lippen. Sie war froh, daß Katzen keinen Lippenstift trugen wie Mrs. Hogendobber. Nicht auszudenken, wenn Lippenstift an eine Schabe oder eine Maus käme. Das würde den Geschmack verderben.

»Hey, Mädels.« Reverend Jones kam durch den Haupteingang geschlendert. Er nannte alle Frauen Mädels, und sie hatten längst die Hoffnung aufgegeben, es ihm irgendwann einmal abgewöhnen zu können. Auch die zweiundneunzigjährige Catherine I. Earnhart wurde Mädel genannt. Und ließ es sich gern gefallen.

»Hey, Rev.« Harry lächelte ihn an. »Sie sind heute spät dran.«

Er angelte in seiner Tasche nach dem Schlüssel, steckte ihn in sein Messingpostfach und zog eine Handvoll Post heraus, das meiste davon nutzlose Werbung.

»Wenn ich spät dran bin, dann deswegen, weil ich Roscoe Fletcher meinen Wagen geliehen habe. Er wollte ihn mir um ein Uhr zurückbringen, und jetzt ist es drei. Da habe ich mich dann entschlossen, zu Fuß zu gehen.«

»Ist sein Wagen liegengeblieben?« Miranda öffnete die Hintertür, um ein bißchen frische Luft und Sonnenschein hereinzulassen.

»Sein neuer Wagen ist ein regelrechtes Montagsauto.«

Harry, die die Eilsendungen zählte, blickte auf und sah draußen Roscoe auf den vorderen Postparkplatz fahren. »Wenn man vom Teufel spricht.«

Herb drehte sich um. »Ist das mein Wagen?«

»Nicht wiederzuerkennen, wenn der Dreck runter ist, was?« meinte Harry lachend.

»Oh, ich weiß, ich sollte ihn ab und zu waschen, und ich sollte auch meinen Transporter reparieren, aber ich habe keine Zeit dafür. Der Tag hat nicht genug Stunden.«

»Amen«, sagte Miranda.

»Wie schön, Miranda, daß Sie in die Litanei einstimmen.« Seine Augen blitzten.

»Herb, Entschuldigung«, sagte Roscoe, bevor er die Tür hinter sich zumachte. »Mim Sanburne hat mich im Flur aufgehalten, ich dachte schon, ich käme nie weg. Sie wissen ja, wie das ist, wenn die Queen von Crozet erst mal in Fahrt kommt.«

»Allerdings«, sagten sie.

»Warum nennt man sie eigentlich Queen von Crozet?« Mrs. Murphy leckte sich die Vorderpfote. »Queen des Universums wäre zutreffender.«

»Nein, des Sonnensystems«, bellte Tucker.

»Hat aber nicht denselben Klang«, entgegnete Mrs. Murphy.

»Die Menschen halten sich für den Mittelpunkt der Erde. Eine Bande Dummköpfe.« Pewter rülpste.

Die unerfreuliche Aussicht, womöglich ausgekotzte Schabenstückchen auf dem Schalter vorzufinden, ließ Mrs. Murphy einen Schritt zurückweichen.

»Na, wie gefällt Ihnen Ihr Wagen?« Roscoe zeigte auf den Subaru Kombi, der frisch gewaschen und gewachst war.

»Sieht aus wie neu. Danke.«

»Es war nett von Ihnen, mir einen fahrbaren Untersatz zu leihen. Gary vom Vertragshändler bringt mir meinen Wagen nach Hause. Wenn Sie mich zu Hause absetzen könnten, das wäre prima.«

»Wo ist Naomi heute?« erkundigte sich Miranda nach seiner Frau.

»In Staunton. Sie besucht mit der dritten Klasse das Pioneer-Museum.« Er kicherte. »Besser sie als ich. Diese Unterstufenschüler treiben mich zum Wahnsinn.«

Harry lächelte. »Deswegen ist sie ja auch Leiterin der Unterstufe, und Sie sind der Direktor. Wir nennen Sie den Großen Zampano.«

»Nein, das liegt an meiner Fähigkeit, Spenden zu sammeln. Will jemand ein bißchen Kohle ausspucken?« Er lachte, entblößte breite, gerade Zähne, die vom Rauchen verfärbt waren. Er zog ein Päckchen Tootsie Rolls aus seiner Tasche und bot sie den anderen an.

»Wo nichts ist, ist nichts zu holen. Außerdem habe ich meinen Abschluß an der Crozet- Highschool gemacht.« Harry winkte ab, als ihr die Bonbons angeboten wurden.

»Ich auch, ein bißchen früher als sie«, fügte Miranda kokett hinzu.

»Ich war 1945 mit der Schule fertig«, sagte Herb beherzt.

»Ich kann bei Ihnen nicht landen, wie? Sie wollen nicht mal meine Tootsie Rolls.« Roscoe lächelte. Er hatte ein freundliches Gesicht und ebensolche Umgangsformen. »Ich will Ihnen was sagen, wenn Sie in der Lotterie gewinnen, spenden Sie ein bißchen für St. Elizabeth. Bildung ist wichtig.«

»Wozu?« Pewter starrte ihn an. »Ihr macht euch doch bloß alle gegenseitig verrückt, weiter tut ihr nichts.«

»Manche Menschen machen Farmarbeit«, entgegnete Tucker.

Pewter funkelte die hübsche Corgihündin an. »So?«

»Das ist produktiv«, fügte Mrs. Murphy hinzu.

»Ist bloß produktiv, damit sie sich gegenseitig ernähren können. Mit uns hat das nichts zu tun.«

»Sie können fischen«, sagte Tucker.

»Da ist doch nichts dabei.«

»Ist schon was dabei, wenn du Thunfisch willst.« Murphy lachte.

»Sie sind eine nutzlose Spezies.«

»Pewter, die Schabe hat dich um den Verstand gebracht. Verursacht Blähungen. Mich siehst du solche Sachen nicht essen«, sagte Mrs. Murphy.

»Also, mein Auto sieht wahrhaftig neu aus.« Herb ließ seine blauen Augen wieder über den Kombi schweifen.

»Ich war in der Autowaschanlage Ecke Twenty-ninth Street und Greenbrier Drive«, sagte Roscoe zu ihm. »Ich liebe diese Autowaschanlage.«

»Sie lieben eine Autowaschanlage?« Miranda war fassungslos.

»Sie müssen da mal hin. Ich nehme Sie mit.« Er breitete seine fleischigen Arme aus. »Man fährt vor – Karen Jensen und noch ein paar von unseren Schülern arbeiten da, und die weisen das linke Vorderrad auf die Spur. Sie arbeiten am Spätnachmittag und am Wochenende – tüchtige Kinder. Jedenfalls, man hat eine Riesenauswahl. Ich habe das volle Programm gewählt. Man wird reingelotst, Wahlhebel auf Leerlauf, Radio aus, und schlingernd geht's auf in den Kampf. Zuerst blinkt ein gelbes Neonlicht, eine Wasserwand klatscht auf einen drauf, und dann sagt einem ein blaues Neonlicht, daß der Unterboden gewaschen wird, dann kommt ein weißes Licht und ein rosa Licht und ein grünes Licht – es ist fast wie eine Broadway- Show. Und« – er zeigte nach draußen – »da ist das Resultat. Ein Knaller.«

»Roscoe, wenn eine Autowaschanlage Sie so erregt, muß etwas passieren in Ihrem Leben.« Herb lachte gutmütig.

»Fahren Sie zu der Waschanlage und sehen Sie selbst.«

Die beiden Männer gingen; Herbie rutschte auf den Fahrersitz, Harry und Miranda sahen vom Fenster aus zu.

»Waren Sie schon mal in der Autowaschanlage?«

»Nein, ich sollte wohl meinen Sonntagsschmuck anlegen und gleich lossausen.« Miranda verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen.

»Ich fahr durch keine Autowaschanlage. Ich hasse das«, knurrte Tucker.

»Wenn du Donner hörst, versteckst du dich unterm Bett.«

Der Hund blaffte Murphy an: »Tu ich nicht, das ist gelogen.«

»Sabbern tust du auch.« Da Murphy auf dem Schalter saß, konnte sie so gehässig sein, wie sie Lust hatte; der Hund kam nicht an sie heran.

»Du hast in den Transporter gepinkelt«, schoß Tucker zurück.

Mrs. Murphys Pupillen wurden weit. »Ich war krank.«

»Warst du nicht.«

»War ich wohl.«

»Du warst auf dem Weg zur Tierärztin und hattest Schiß!«

»Ich war auf dem Weg zur Tierärztin, weil ich krank war.« Die Tigerkatze verteidigte sich vehement.

»Du hast bloß deine alljährliche Spritze gekriegt«, säuselte der Hund.

»Lügnerin.«

»Angsthase.«

»Das ist zwei Jahre her.«

»Im Transporter hat's monatelang gestunken«, trat Tucker nach.

Mit einem einzigen wilden Tritt der Hinterpfote schob Mrs. Murphy dem Hund einen Haufen Post auf den Kopf. »Ekelpaket.«

»Hey!« brüllte Harry. »Jetzt macht mal halblang.«

»Wir verduften!« Mrs. Murphy sprang von der Theke, segelte über die Corgihündin hinweg, die in einem Erdrutsch von Post feststeckte, und sauste zum offenen Hintereingang hinaus.

Tucker rannte ihr nach und schüttelte im Laufen Umschläge ab.

Pewter entspannte sich auf der Theke; sie dachte gar nicht daran, zu rennen.

Harry ging zum Hintereingang, um zuzusehen, wie ihre Lieblinge sich durch Mirandas Garten jagten; sie verfehlten knapp ihre Chrysanthemen, die reinste Farborgie. »Ich wünschte, ich könnte noch ein einziges Mal so herumtollen.«

»Sie sind köstlich.« Miranda sah ihnen ebenfalls zu, dann bemerkte sie das funkelnde Licht. »Die Tagundnachtgleiche, das ist eine ganz besondere Zeit. Licht und Dunkel befinden sich in vollkommenem Gleichgewicht.«

Sie erwähnte nicht, daß nach dem heutigen Tag das Dunkel langsam die Oberhand gewinnen würde.

CHAPTER 2

Auf dem Rücken liegend, die Beine in der Luft, präsentierte Mrs. Murphy ihren schlanken beigefarbenen Bauch mit den stumpfen Streifen, die anders waren als die tiefschwarz glänzenden Tigerstreifen auf ihrem Rücken. Sie hörte den Audi Quattro in vierhundert Meter Entfernung in der Zufahrt, lange bevor Harry merkte, daß jemand in den Weg zur Farm eingebogen war.

Tucker, für gewöhnlich die Aufpasserin, war zu dem Bach getrottet, der Harrys Farm von Blair Bainbridges Farm an der südlichen Begrenzung trennte. Ein Murmeltier lebte dort bei dem riesigen Hickorybaum. Tucker, ein Hütehund, war nicht von einem brennenden Tötungsverlangen beseelt. Dennoch liebte sie es, Beutetiere zu beobachten und gelegentlich ein wildes Tier in ein Gespräch zu verwickeln. Sie war zu weit entfernt, um die Ankunft des Autos durch einen Warnlaut anzukündigen.

Wäre auch nicht nötig gewesen, denn die Besucherin war Susan Tucker, Harrys beste Freundin seit Kindertagen. Da Susan ihren alten Volvo gegen einen Audi Quattro eingetauscht hatte, klangen ihre Reifen anders, und Tucker war noch nicht daran gewöhnt. Mrs. Murphy hatte ein besseres Gedächtnis für solche Geräusche als Tucker.

Pewter, die sich unter den Küchentisch hatte plumpsen lassen, war der Besuch schnurzpiepegal. Sie träumte von einem Riesenspeerfisch, mit Makrele garniert. Daß sie den Fisch mit niemandem teilen mußte, machte den Traum besonders süß.

Harry, von einem Aufräumrausch gepackt, warf den Inhalt ihrer Kommodenschubladen aufs Bett.

Mrs. Murphy öffnete ein Auge. Sie hatte das Schlagen der Autotür gehört. Ein zweiter Schlag ließ sie den Kopf heben. Gewöhnlich kreuzte Susan allein bei Harry auf. Mit der regelmäßigen Flucht vor ihren Ablegern bewahrte sie sich ihr psychisches Gleichgewicht. Die hintere Fliegentür ging auf. Susan kam herein, gefolgt von ihrer schönen fünfzehnjährigen Tochter Brooks. Heute kein Entkommen.

»Tatütata«, rief Susan.

Verärgert über diesen Weckruf fauchte Pewter: »So einen Schwachsinn hab ich mein Lebtag noch nicht gehört.«

Mrs. Murphy legte den Kopf wieder auf ihre Pfote. »Meckerkrabbe.«

»Das ist es ja gerade, Murphy, ich hatte den schönsten Traum meines Lebens, und jetzt – aus und vorbei.« Pewter betrauerte den Verlust.

»Hi, Murphy.« Susan kratzte die Katze hinter den zierlichen Ohren.

»Oh, guck mal, Pewter ist unter dem Küchentisch.« Brooks, die Katzen liebte, bückte sich, um Pewter zu streicheln. Ihr kastanienbraunes Haar fiel ihr wie ein Vorhang vors Gesicht.

»Was ich mir alles gefallen lassen muß«, beschwerte sich die graue Katze; sie machte jedoch keine Anstalten, sich zu entfernen, also war die Beschwerde nur pro forma.

»Ich bin beim Aufräumen«, rief Harry aus dem Schlafzimmer.

»Gnade uns Gott«, sagte Susan lachend, als sie in das Chaos trat. »Harry, du wirst die ganze Nacht auf sein.«

»Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich brauche fünf Minuten, um zwei zusammenpassende Socken zu finden, und« – sie zeigte auf ein paar klägliche Seidenreste – »meine Unterwäsche ist hinüber.«

»Du hast dir keine neue Wäsche gekauft, seit deine Mutter tot ist.«

Harry ließ sich aufs Bett plumpsen. »Solange Mom das Zeug gekauft hat, brauchte ich es nicht zu tun – außerdem kann ich es nicht ausstehen, zu Victoria's Secret zu latschen. Das hat was leicht Pornographisches.«

»Ach Quatsch, du kannst es bloß nicht ausstehen, größere BH-Größen zu sehen als deine.«

»So mickrig ist mein Busen gar nicht.«

Susan lächelte. »Das hab ich auch nicht behauptet, ich meine bloß, manchmal mißt du dich gern mit anderen.«

»Tu ich nicht. Auf gar keinen Fall. Sonst würde ich irgendwas mit meinem Kunstgeschichtsexamen anfangen, statt Posthalterin von Crozet zu sein.«

»Ich denke da an ein tückisches Hockeyspiel in unserem letzten Schuljahr.«

»Das zählt nicht.«

»Du konntest BoomBoom Craycroft schon damals nicht leiden«, erinnerte sich Susan.

(Continues…)


Excerpted from "Tödliches Beileid"
by .
Copyright © 2018 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
Excerpted by permission of Ullstein Buchverlage.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews