Wütendes Wetter: Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme Gewinnerin des deutschen Umweltpreises 2023

Hitze, wie wir sie aus fernen Urlaubsregionen kannten, sintflutartiger Starkregen, verheerende Stürme: Ist das schon Klimawandel – oder immer noch "nur" Wetter? Die Physikerin Friederike Otto hat die Attribution Science mitentwickelt. Mittels dieser revolutionären Methode kann sie genau berechnen, wann der Klimawandel im Spiel ist. War eine Katastrophe wie Harvey menschengemacht? Ist eine Dürreperiode Folge der globalen Erwärmung oder nur ein heißer Sommer, wie es ihn schon immer gab?
Die Zahlen belegen: Eine Hitzewelle wie in Deutschland 2018 ist durch den Klimawandel mindestens doppelt so wahrscheinlich geworden wie früher. Man kann konkrete Verursacher für Wetterphänomene haftbar machen ‒ Unternehmen, ja ganze Länder können jetzt vor Gericht gebracht werden. Und es wird verhindert, dass der Klimawandel weiter als Argument missbraucht wird: Politiker können sich nicht mehr auf ihn berufen, um Missmanagement und eigenes Versagen zu vertuschen. Dieses Buch bringt Klarheit in eine erhitzte Debatte.

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Wütendes Wetter: Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme Gewinnerin des deutschen Umweltpreises 2023

Hitze, wie wir sie aus fernen Urlaubsregionen kannten, sintflutartiger Starkregen, verheerende Stürme: Ist das schon Klimawandel – oder immer noch "nur" Wetter? Die Physikerin Friederike Otto hat die Attribution Science mitentwickelt. Mittels dieser revolutionären Methode kann sie genau berechnen, wann der Klimawandel im Spiel ist. War eine Katastrophe wie Harvey menschengemacht? Ist eine Dürreperiode Folge der globalen Erwärmung oder nur ein heißer Sommer, wie es ihn schon immer gab?
Die Zahlen belegen: Eine Hitzewelle wie in Deutschland 2018 ist durch den Klimawandel mindestens doppelt so wahrscheinlich geworden wie früher. Man kann konkrete Verursacher für Wetterphänomene haftbar machen ‒ Unternehmen, ja ganze Länder können jetzt vor Gericht gebracht werden. Und es wird verhindert, dass der Klimawandel weiter als Argument missbraucht wird: Politiker können sich nicht mehr auf ihn berufen, um Missmanagement und eigenes Versagen zu vertuschen. Dieses Buch bringt Klarheit in eine erhitzte Debatte.

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Hitze, wie wir sie aus fernen Urlaubsregionen kannten, sintflutartiger Starkregen, verheerende Stürme: Ist das schon Klimawandel – oder immer noch "nur" Wetter? Die Physikerin Friederike Otto hat die Attribution Science mitentwickelt. Mittels dieser revolutionären Methode kann sie genau berechnen, wann der Klimawandel im Spiel ist. War eine Katastrophe wie Harvey menschengemacht? Ist eine Dürreperiode Folge der globalen Erwärmung oder nur ein heißer Sommer, wie es ihn schon immer gab?
Die Zahlen belegen: Eine Hitzewelle wie in Deutschland 2018 ist durch den Klimawandel mindestens doppelt so wahrscheinlich geworden wie früher. Man kann konkrete Verursacher für Wetterphänomene haftbar machen ‒ Unternehmen, ja ganze Länder können jetzt vor Gericht gebracht werden. Und es wird verhindert, dass der Klimawandel weiter als Argument missbraucht wird: Politiker können sich nicht mehr auf ihn berufen, um Missmanagement und eigenes Versagen zu vertuschen. Dieses Buch bringt Klarheit in eine erhitzte Debatte.


Product Details

ISBN-13: 9783843720908
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 04/15/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 240
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Friederike Otto, geb. 1982 in Kiel, ist Klimaforscherin, Physikerin und promovierte Philosophin. Als amtierende Direktorin leitet sie das Environmental Change Institute an der Universität Oxford und hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft (Attribution Science) mitentwickelt. Sie zählt zu einer Handvoll Wissenschaftlern weltweit, die in Echtzeit berechnen können, wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt.

Friederike Otto, geb. 1982 in Kiel, ist Klimaforscherin, Physikerin und promovierte Philosophin. Am Grantham Institute for Climate Change des renommierten Imperial College London forscht sie zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft und hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft (Attribution Science) mitentwickelt. Sie zählt zu einer Handvoll Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit, die in Echtzeit berechnen können, wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt. 2021 gehörte sie laut TIME Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen weltweit. 2023 erhält sie den Deutschen Umweltpreis.


Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau. Er ist stellvertretender Chefredakteur des Onlinemagazins Klimareporter.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Ursache und Wirkung: Wie wir unser Wetter geschaffen haben

Wer heute auf diesem Planeten lebt, gehört zu den ersten Menschen, die in ihrer Umwelt die Folgen eines Prozesses deutlich zu spüren beginnen, der seinen Ausgang vor 250 Jahren in einem Laborraum in Glasgow nahm – dort, wo sich ein schottischer Mechaniker und Instrumentenbauer namens James Watt eine »Neue Methode zur Verminderung von Dampf- und Betriebsstoffverbrauch in Feuermaschinen« ausdachte und mit seiner Dampfmaschine den Weg bahnte für den Siegeszug von Maschinenkraft und Lokomotiven. Und erst damit den großen Hunger der Menschen nach Kohle, Öl und Erdgas weckte, welche seither zu Abermilliarden Tonnen aus dem Boden geschält, geschnitten und gepumpt wurden, um sie anschließend in Kraftwerken und Fahrzeugen zu verfeuern und nebenbei die Erde wie in einem Treibhaus zu erhitzen.

Warum wir Treibhausgase brauchen

Die Erde erhält ihre Energie durchs Sonnenlicht. Bis zur Erdoberfläche gelangt allerdings nur ein Teil der Sonnenstrahlen. Ein Teil – die UV-Strahlen – wird von der Ozonschicht absorbiert. Und etwa 30 Prozent werden entweder schon in der Atmosphäre oder von Eis und anderen hellen Oberflächen auf der Erde reflektiert und direkt zurück ins Weltall gestrahlt. Das restliche Sonnenlicht wird von der Erde absorbiert, wodurch sich die Erde erwärmt und wiederum selbst Strahlung emittiert. Diese Strahlung ist nicht mehr sichtbar, aber spürbar – und zwar als Wärme, da es sich hauptsächlich um Infrarotstrahlung handelt. Diese wird nun in der Luft von den sogenannten Treibhausgasen abermals absorbiert und mit verringerter Energie in alle Richtungen abgestrahlt. Die wichtigsten Treibhausgase sind Wasserdampf, Kohlendioxyd und Methan. Ein Teil der Strahlung wird also wieder zurück zur Erde geworfen – wie ein Pingpong-Spiel zwischen Erdboden und Treibhausgasen, wobei mit jedem Kontakt weniger Energie im Spiel bleibt, schließlich nehmen die Moleküle einen Teil der Strahlungsenergie auf und wandeln sie in Bewegungsenergie um. Und das heißt nichts anderes, als dass sich die Atmosphäre erwärmt.

Weil es Treibhausgase gibt, ist die Erdatmosphäre um über 30 Grad wärmer, als sie es ohne Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan wäre. Ohne Treibhausgase würde die von der Erde emittierte Strahlung zum Großteil ungehindert zurück ins Weltall abstrahlen. Das Leben hier wäre ziemlich ungemütlich und kalt. Treibhausgase sind also wichtig für uns.

Solange der Anteil der Treibhausgase und die Sonneneinstrahlung konstant sind, ist alles in Ordnung. Das Problem fängt an, wenn wir Unmengen an fossilen Brennstoffen verfeuern und damit auch immer mehr Treibhausgase in die Luft entlassen, die mehr Strahlung absorbieren können. Und zwar Treibhausgase wie Kohlendioxid, die anders als Wasserdampf nicht nach ein paar Tagen als Regen wieder die Atmosphäre verlassen, sondern für Jahrhunderte dort bleiben. Damit die Energiebilanz dann noch stimmt, muss sich die Erde erwärmen. Und das tut sie, wie wir seit 1895 wissen, als Svante Arrhenius den Zusammenhang von Erderwärmung und Treibhausgasen entdeckte.

Die Erde hat sich seit 1776 – dem Jahr, als James Watt für seine Dampfmaschine von König Georg III. das Patent Nummer 913 erhielt – um ungefähr ein Grad erwärmt. Der Ausstoß an Kohlendioxid stieg erst langsam an und beschleunigte sich mit der Industrialisierung. Entsprechend stieg auch die globale Durchschnittstemperatur zunächst gemächlich, bis zum Jahr 1960 waren es gerade mal 0,2 Grad. Heute ist es weltweit schon ein Grad wärmer. Das wärmste Jahr war 2016, das zweitwärmste 2017, das drittwärmste 2015, gefolgt von 2014, 2010, 2013, 2007. Das heißt: Die sieben wärmsten Jahre fallen allesamt ins vergangene Jahrzehnt.

Dieses eine zusätzliche Grad im weltweiten Durchschnitt ist allerdings ein abstraktes Maß. Wir bemerken es nicht unmittelbar, nur seine Auswirkungen. Um es zugespitzt auszudrücken: Die veränderte globale Mitteltemperatur bringt niemanden um. Jedenfalls nicht direkt.

Wohl aber durch ihren Einfluss auf das Wetter.

Das Gesicht des Klimawandels

Für unser Wetter hat dieses eine Grad große Konsequenzen: Weil die Erdatmosphäre durch die globale Zirkulation verbunden ist, steigen die Temperaturen in fast allen Regionen der Erde. Im einfachsten Fall wird es überall wärmer, und die Wahrscheinlichkeit für Hitzewellen steigt, während sie für Kältewellen sinkt.

Wenn sich die Luft erwärmt, kann sie mehr Wasserdampf aufnehmen, bevor das Wasser anfängt zu kondensieren und sich Wolken bilden. Das Wasser bleibt für ein paar Tage in Luft und Wolken gespeichert. Übersteigt die Luftfeuchtigkeit aber 100 Prozent, fällt es wieder herunter – als Regen oder Schnee. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Wasser die Luft aufnimmt, desto mehr regnet es auch. Man kann das mit einem Schwamm vergleichen: Je größer dieser ist, desto mehr Wasser kann er aufsaugen – einmal zusammengepresst, entlässt er die Menge wieder. Unsere Atmosphäre ist wie ein Schwamm, der ständig wächst.

In den Tropen können wir das gut beobachten: Dort schüttet es in der Regel viel heftiger als in unseren Breiten. Aber selbst in Deutschland oder Großbritannien können wir den Unterschied sehen – wir müssen nur die Jahreszeiten vergleichen: Ein Sommerregen ist oft deutlich heftiger als ein Regen im Winter.

Wenn sich die Erde erwärmt, heißt das aber nicht, dass wir nun überall nur noch tropische Regenfälle erleben. Denn die Menge und Intensität der Niederschläge nehmen nur im globalen Mittel zu. Das heißt: an manchen Orten mehr, an manchen weniger.

Erwärmung und mehr Wasserdampf in der Atmosphäre folgen einfachen physikalischen Gesetzen. Beides fassen wir Klimawissenschaftler*innen als thermodynamische Effekte zusammen.

Es gibt aber noch einen anderen Weg, wie der Klimawandel Wetter beeinflusst: Durch den Ausstoß von Treibhausgasen wird die Atmosphäre nicht nur wärmer, sondern auch ihre Zusammensetzung ändert sich. Und wenn sich mehr Kohlendioxid, Methan und Wasserdampf anreichern, dann ändert sich auch die Luftzirkulation.

Zirkulation ist im Wesentlichen die Bewegung von Luft, die wir als Wind spüren. Sie entsteht durch den ständigen Ausgleich von Druck- und Temperaturunterschieden. Jeder, der schon mal einen Luftballon aufgepustet hat und ihn losließ, bevor der Knoten zugebunden war, weiß, dass hoher und niedriger Druck sich ausgleichen, wenn sie nicht daran gehindert werden, wie etwa durch eine Luftballonhülle. Temperaturunterschiede entstehen dadurch, dass die Erde mehr oder weniger rund ist und somit der Äquator mehr Sonne abbekommt als die Pole, schließlich trifft das Sonnenlicht senkrecht auf den Äquator und unter einem spitzen Winkel auf die Pole. Dadurch entstehen Windsysteme, die eine ganze Erdhalbkugel abdecken. Diese sogenannten Jetstreams wehen dort, wo kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen und von der Erdumdrehung abgelenkt und beschleunigt werden. Sie wehen permanent mit hohen Windgeschwindigkeiten und in großer Höhe.

Aber auch auf kleinerer Skala gibt es Druck- und Temperaturunterschiede: Die Luft erwärmt sich über Land schneller als über Wasser und über Flachland schneller als über Gebirge. Und dann kommen noch die Wolken mit ins Spiel, die ebenfalls Temperatur und Druck beeinflussen. Wenn wir all das verändern, also Temperatur, Zusammensetzung der Atmosphäre und Wolkenbildung – und das tun wir –, dann verändern wir auch die Zirkulation. Das heißt: wann und wo Tiefund Hochdruckgebiete entstehen und wohin sie ziehen, wann und wo es regnet, wie stark der Wind weht, zu welcher Jahreszeit er weht und aus welcher Richtung er kommt.

Andere Faktoren, wie zum Beispiel die Nutzung der Landoberfläche und deren Wechselwirkung mit der Atmosphäre, spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

Diese Veränderungen haben Konsequenzen: Wirbelstürme können sich heute an Orten aufbauen, wo es sie früher nicht gegeben hat. Denn die Ozeane erwärmen sich, und damit wird an bestimmten Orten überhaupt erst die Schwelle überschritten, ab der die Wirbel genügend Energie aus dem Wasser ziehen können, um sich zu bilden. Über Jahrhunderte konnte sich unser Wetter in einem stabilen Klima gemütlich einrichten – mit der Erderwärmung aber verrücken manche der Muster von Regenfällen, Dürreperioden und Stürmen, wie wir sie kannten.

Diesen Effekt der sich verändernden Zirkulation nennen wir Klimaforscher*innen übrigens den dynamischen Effekt. Auch er folgt physikalischen Gesetzen, ist aber ungleich komplizierter als der thermodynamische Effekt.

Die beiden Effekte treten nicht einzeln auf, sondern immer zusammen, aber da sie verschieden stark sein und in verschiedene Richtungen wirken können, sind die Konsequenzen für das Wetter sehr unterschiedlich. Verstärken sich die Folgen aus Erwärmung und Zirkulation gegenseitig, kann das einiges Unheil heraufbeschwören. Es regnet also mancherorts schon allein deshalb mehr, weil sich die Luft erwärmt hat und mehr Wasser aufnehmen kann. Weil sich dann aber auch noch mehr Tiefdruckgebiete mit Regen im Gepäck in das Gebiet schieben, vereint sich beides zu sintflutartigem Regen.

Und wer wie ich in England lebt, weiß, wovon die Rede ist: Als ich vor einigen Jahren von Potsdam nach Oxford zog, hatte ich mich schon auf typisch britisches Regenwetter eingestellt. Aber in den vergangenen Wintern kam es in Südengland genau zum erwähnten Doppeleffekt: Mehr sogenannte Tiefdruckgebiete vom Atlantik brachten noch mehr Regen, als in vorindustriellen Zeiten zu erwarten war. Und zusätzlich verstärkte sich der Regen durch die wärmere Atmosphäre. Der Winter war in Südengland immer schon die Zeit, in der es am meisten regnete – Schnee gibt es bei uns eher selten. Der Klimawandel hat Rekordregenfälle wie im Januar 2014 aber wahrscheinlicher gemacht, dem nassesten Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und beim Regen alleine bleibt es oft nicht: Je mehr Niederschlag fällt, desto höher ist auch das Risiko für Überschwemmungen, vor allem in den Gebieten, in denen Häuser auf Flutwiesen stehen. Und davon gibt es viele im Süden Großbritanniens. Dank eines ausgeklügelten Flutsystems ist Oxford in jenem Winter von Überschwemmungen weitgehend verschont geblieben. Im Gegensatz zu den Menschen weiter im Süden: Große Teile Devons und insbesondere Somersets verwandelten sich in eine Seenlandschaft. Durch das Unterspülen und Wegbrechen der Bahnlinie waren sie für viele Wochen vom Rest des Landes isoliert.

Beide Effekte können sich aber auch gegenseitig den Wind aus den Segeln nehmen. Das heißt: Zwar kann es in der wärmeren Atmosphäre mehr regnen, nur bilden sich durch die veränderte Zirkulation weniger Regengebiete oder sie schieben sich seltener in die Region. Unterm Strich bleibt alles beim Alten, und die Wahrscheinlichkeit für nasse Winter oder Sommer bleibt unverändert, obwohl das Klima sich verändert. Das Hochwasser an Elbe und Donau 2013 war ein solcher Fall, es fiel keineswegs aus dem Rahmen.

Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit: Die Zirkulation verändert sich sehr stark und sticht damit den thermodynamischen Effekt aus. Mit anderen Worten: Die Dynamik, wann und wo es regnet, ändert sich so stark, dass in bestimmten Regionen auf einmal kaum noch Niederschlag unten auf der Erde ankommt. Dann spielt es keine Rolle, dass die wärmere Luft eigentlich deutlich mehr Wasser aufnehmen und abregnen lassen könnte – denn ohne die passende Luftbewegung entstehen keine Regenwolken, und wenn das Land schon trocken ist, entstehen auch lokal keine Wolken. Das erklärt, warum das Risiko für Dürren an manchen Orten der Welt zunehmen kann, obwohl es über die ganze Welt verteilt insgesamt nasser wird. Der Südwesten Australiens etwa erlebt seit über einem halben Jahrhundert eine dramatische Abnahme an Regenfällen – und das lässt sich teilweise dem Klimawandel zuordnen.

Betrachten wir die Welt als Ganzes, können wir also ziemlich gut erklären, wie das Klima unser Wetter beeinflussen kann. Nur: Zieht ein Hurrikan auf und bedroht Zigtausende Küstenbewohner*innen, interessiert sich natürlich niemand mehr für einen Mittelwert.

Bis heute fehlt ein Inventar für die konkreten Folgen des Klimawandels. Wir müssen also einen Schritt weiter gehen und auch im konkreten Fall einer Dürre, einer Überflutung oder eines Megasturms verstehen, wie sich der Klimawandel in unserem Wetter zeigt. Mit anderen Worten: die Kette von Ursache und Wirkung schließen. Das ist inzwischen tatsächlich möglich. Nur braucht es dafür aufwendige Detektivarbeit.

Und wie jede*r gute Detektiv*in fangen auch wir nicht etwa mit der Ursache eines Vorfalls an, sondern mit der Wirkung. Also mit einer Antwort auf die Frage: Was ist passiert?

Die Rekonstruktion des Ereignisses

Die Frage mag sich recht trivial anhören, aber, und das weiß man aus jedem guten Krimi: Es ist oft gar nicht so leicht, das Geschehen zu rekonstruieren. Gerade bei Überschwemmungen ist oft nicht auf Anhieb klar, in welchem Gebiet wir überhaupt unsere Daten sammeln müssen. Treten Flüsse über die Ufer, müssen wir erst ermitteln, wo es überhaupt geregnet hat: Dort, wo die Überschwemmung stattfindet? Oder weiter flussaufwärts? Und hat es überhaupt viel geregnet, oder hat bloß jemand einen Staudamm nicht richtig gebaut? Oder wurde der Fluss begradigt, sodass Flutwiesen die Überschwemmungen ganzer Siedlungen nicht mehr verhindern konnten?

In den meisten Ländern der Welt gibt es ein mehr oder weniger dichtes Netz an Wetterstationen, die täglich Temperatur, Niederschlag und Luftdruck messen. Zusätzlich gibt es seit 1979 regelmäßige Satellitenmessungen. Beide Arten der Beobachtung dokumentieren das weltweite Wettergeschehen und liefern uns die Daten, die wir für unsere Arbeit brauchen.

Erst wenn wir eine Antwort auf das »Was« gefunden haben, können wir anfangen, nach den Ursachen zu suchen. Als Klimaforscherin muss ich mich also ziemlich viel mit dem scheinbar profanen Wetter herumschlagen und weniger mit dem globalen Klima. Ein*e Detektiv*in, der*die nur die gesellschaftlichen Ursachen für Verbrechen erforscht, findet schließlich auch keine individuellen Täter*innen. Wobei es zumindest hilft, um Täterprofile zu erstellen.

Im Gegensatz zu Tatort-Kommissar*innen sind unsere Fälle um einiges komplizierter: Kommissar*innen sind keine Wissenschaftler*innen, und Morde werden üblicherweise von nur einem Täter oder einer Täterin begangen – jedes Wetterereignis hat aber verschiedene Ursachen und entsteht aus einem Zusammenspiel aus lokalen, regionalen und globalen Faktoren, die sich jedes Mal aufs Neue zusammensetzen. Also zum Beispiel ein lokal sehr trockener Boden, ein Vulkanausbruch, der mit seiner Aschewolke die Sonne verdunkelt und damit das Klima einer Region oder sogar der ganzen Welt vorübergehend verändert, oder der Klimawandel, der den ganzen Planeten beeinflusst. Keiner dieser Faktoren alleine löst ein Extremwetter aus. Und nach einem Wetterereignis wird es auch nie wieder exakt das gleiche Ereignis geben. Wenn man so will, haben wir es also meist mit einer ganzen Bande aus Täter*innen zu tun, deren Mitglieder alle auch noch höchst eigenwillig sind und die unangenehme Eigenschaft mitbringen, ständig das Lager zu wechseln, je nachdem, wie es ihnen gerade passt.

Einige Faktoren spielen aber eine größere Rolle als andere. So erhöht der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen im Mittelmeerraum um mindestens das Zehnfache. Besonders gut konnte unser Team das an der Hitzewelle Lucifer zeigen, die im Sommer 2017 Südeuropa in eine über 40 Grad warme Sauna verwandelte. Solch eine Gluthitze ist durch den Klimawandel mindestens zehn, aber nach unseren besten Schätzungen fast 100 Mal wahrscheinlicher geworden. Wenn wir also ohne Klimawandel alle 100 Jahre mit einer Hitzewelle wie dieser rechnen mussten, erwarten wir sie mit Klimawandel nun häufiger als alle zehn Jahre.

Was Extremwetter ist, entscheiden wir selbst

Es mag überraschend klingen, aber es gibt keine allgemeine Definition von Extremwetter. Was ein Extremereignis ist, hängt stark davon ab, was es an einem Ort anrichtet, wie gut der Ort darauf vorbereitet ist und wie angreifbar er ist. Mit anderen Worten: Es gibt keine richtigen und falschen Definitionen. Es gibt nur Definitionen, die Relevanz haben für Entscheidungen, die eine Region treffen muss, um sich auf das Wetter der Zukunft einzustellen.

Ein Extremwetterereignis lässt sich also wie ein plastisches Kunstwerk von mehreren Seiten aus betrachten. Schauen wir uns die Hitzewelle an, die im Sommer 2012 Serbien im Griff hatte: Der Klimawandel hat sie ungefähr zehn Mal wahrscheinlicher gemacht. Das kam bei unseren Berechnungen heraus, weil wir die Hitzewelle über die Sommertemperaturen definiert haben. Wenn wir sie aber als Hitzestress definieren, also auch die relative Luftfeuchtigkeit miteinbeziehen, dann hat sich die Wahrscheinlichkeit nur verdoppelt. Die Luftfeuchte hat sich also viel weniger verändert, und der Hitzestress, der Feuchte und Temperatur berücksichtigt, nimmt damit langsamer zu als die Temperatur allein.

Für einen Bauern sind wahrscheinlich die absoluten Temperaturen entscheidend. Er fragt sich vielleicht, ob er auch dann noch Mais anbauen kann, wenn im Juni die Tage immer wahrscheinlicher werden, an denen über 40 Grad herrschen. Eine Kardiologin hingegen interessiert sich mehr dafür, wie sich Hitze auf den menschlichen Körper auswirkt.

(Continues…)


Excerpted from "Wütendes Wetter"
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Table of Contents

Die Autorin / Das Buch,
Titelseite,
Impressum,
Anmerkungen,
Prolog: Das neue Wetter,
I. Geburt eines neuen Forschungszweigs: So viel Klima steckt in unserem Wetter,
Kapitel 1: Ursache und Wirkung: Wie wir unser Wetter geschaffen haben,
Kapitel 2: Wer Zweifel sät: Die Klimaskeptiker*innen,
Kapitel 3: Revolution in der Klimawissenschaft: Vom Kopf auf die Füße gestellt,
Kapitel 4: Der menschliche Faktor: Den Einfluss des Klimawandels aufs Wetter berechnen,
Kapitel 5: Hitzewellen, Starkregen und Co.: So viel Klimawandel steckt im Wetter,
II. Konsequenzen: Die Macht der Zuordnungswissenschaft,
Kapitel 6: Verplant: Wie der Klimawandel sich rächt, wenn man ihn missachtet,
Kapitel 7: Fakten statt Fatalismus: Wer die Ursache von Katastrophen kennt, kann handeln,
Kapitel 8: Eine Frage der Gerechtigkeit: Sind die Kosten des Klimawandels bekannt, sind die Industrieländer in der Pflicht,
Kapitel 9: Globale Verantwortungsdebatte: Staaten und Konzerne auf der Anklagebank,
Kapitel 10: Klimawandel im Alltag: Das Wetter mit anderen Augen sehen,
Epilog,
Anhang,
Dank,
Anhang,
Social Media,
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