White Bodies: Thriller

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eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Manchmal kann man zu sehr lieben!

Callie liebt Tilda, ihre Zwillingsschwester, der als glamouröse Schauspielerin die Welt zu Füßen liegt. Als ihre Schwester an Felix gerät, einen vermögenden, aber offenbar brutalen Mann, glaubt Callie, sie retten zu müssen. Im Internet gerät sie an eine Gruppe von Frauen, die sich darüber austauscht, wie man sich gegen gewalttätige Ehemänner wehren kann. Und dann stirbt Felix tatsächlich – und Callie hat einen furchtbaren Verdacht ...

„Der perfekte Thriller.“ Elle.


Product Details

ISBN-13: 9783841216427
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 08/17/2018
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 352
File size: 4 MB
Language: German

About the Author

Jane Robins begann ihre Karriere als Journalistin beim Economist und der BBC. Sie hat bisher Sachbücher und über True-Crime-Fälle geschrieben.


Wolfgang Thon, geboren 1954 in Mönchengladbach, studierte Sprachwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Berlin und Hamburg. Thon arbeitet als Übersetzer und seit 2014 auch als Autor in Hamburg, tanzt leidenschaftlich gern Argentinischen Tango und hat bereits etliche Thriller von u.a. Brad Meltzer, Joseph Finder, Robin Hobb, Steve Barry und Paul Grossman ins Deutsche übertragen.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Die Zweige vor meinem Fenster sind dürr und kahl. Tilda steht in der anderen Ecke des Zimmers. Sie sieht aus wie eine Obdachlose. »Wie hältst du das nur aus?«, fragt sie. »All diese abgebrochenen Finger, die an die Scheibe klopfen.« Sie öffnet die Tür und ist schon halb draußen. »Jedenfalls möchte ich, dass du heute Abend in die Curzon Street kommst. Ich bestelle Thaifood und eine DVD. Der Fremde im Zug. Ist von Alfred Hitchcock.«

»Ich weiß.«

»Komm gegen acht. Es wird auch noch jemand anders da sein. Ich möchte, dass du diesen jemand kennenlernst.«

Die Einladung klingt harmlos, ist sie aber nicht. Es fängt schon damit an, dass Tilda für Filmnächte sonst immer in meine Wohnung kommt. Und dass sie mich ihren Freundinnen vorstellt, habe ich bei ihr auch noch nie erlebt. Eigentlich spricht sie fast nie von ihnen. Namentlich sind mir nur zwei geläufig, und das sind Mädchen, die sie seit ihrer Kindheit kennt. Page Mooney und Kimberley Dwyer. Es würde mich wundern, wenn sie die beiden öfter als einmal im Jahr sieht, deshalb bin ich neugierig und will schon fragen: »Wer?«, doch sie geht weiter, während sie redet, und verschwindet im Treppenhaus.

* * *

Ich habe meine Flasche Cider fest im Griff, als ich die Curzon Street erreiche. Ich weiß genau, dass Tilda keinen hat. Und Brownies habe ich auch mitgebracht.

Sie wartet im zweiten Stock an ihrer offenen Wohnungstür. »Callie!« Sie begrüßt mich mit untypischem Überschwang und küsst meine Wangen. Hinter ihr in der Küche steht ein blonder Mann mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und holt etwas aus dem Küchenschrank. Er kommt an die Tür, um hallo zu sagen, und hält mir seine schmale Hand hin. Mir wird klar, dass er es gewohnt ist, hier zu sein, so selbstbewusst und selbstverständlich steht er da. Tilda wirft ihm einen kurzen, besitzergreifenden Blick zu, lässt ihn über sein Haar, seine Schultern, seine nackten Unterarme gleiten. »Callie, das ist Felix«, sagt sie. »Felix Nordberg.« »Ich mache gerade eine Flasche Wein auf«, sagte er. »Möchtest du ein Glas?« »Nein, danke, Cider reicht mir.« Ich halte die Flasche Strongbow zur Inspektion hoch und stelle sie dann auf den Küchentresen. Felix scheint hier alles im Griff zu haben, denke ich. Die Küche, den Wein. Dann stellt er, mit leiser, distinguierter Stimme, die mich an Superjachten und Privatinseln denken lässt, höfliche Fragen. Wo ich wohne. Ob ich gerne im Buchladen arbeite. Ich erkundige mich nach seinem Beruf. Er arbeitet bei einem Hedgefonds in Mayfair.

»Ich weiß nicht mal, was das bedeutet. Nur, dass es etwas Ähnliches wie Wetten ist.«

Er lacht. »Da hast du recht, Callie. Aber unsere Klienten möchten es lieber Investment nennen, also sagen wir ihnen, was sie hören wollen.«

Ich habe das Gefühl, dass er mit mir dasselbe tut, und sehe ihm zu, wie er uns mit kontrollierten Bewegungen bedient, das Etikett eines französischen Chablis überprüft und darauf achtet, das Glas bis zum perfekten Füllstand einzuschenken.

Und auch mit meinem Cider gibt er sich Mühe und behandelt ihn wie kostbaren Nektar, obwohl die Plastikflasche einen riesigen Aufkleber hat, auf dem £3.30 steht. Er reicht Tilda ihren Wein, und sie lächelt ihm kurz zu, als ihre Hände sich berühren. Dann wendet er sich wieder den Küchenschränken zu, holt Teller und Schüsseln heraus, wischt sie mit einem Tuch ab, stapelt sie aufeinander und erklärt mir gleichzeitig, was Leerverkäufe sind.

»Das kannst du dir so vorstellen: Ich verkaufe dir diesen Teller zum aktuellen Preis von zehn Dollar und verpflichte mich, ihn dir in drei Monaten zu liefern. Und dann, kurz bevor die drei Monate um sind, kaufe ich ihn selbst für neun Dollar. Verstehst du? Ich wette darauf, dass die Tellerkurse sinken, und mache einen Profit von einem Dollar.«

»Das ist ein teurer Teller.«

»Felix mag teure Dinge«, bemerkt Tilda vom Sofa aus. Sie hat sich dekorativ in Szene gesetzt und die Füße hochgelegt, in einem Arm hält sie ein Samtkissen, mit der anderen Hand ihr Glas. Sie beobachtet uns, um herauszufinden, wie wir miteinander auskommen.

Ich blicke zu Felix, um zu sehen, ob er Deshalb mag ich deine Schwester sagt, doch das tut er nicht. Er grinst nur, als wollte er sagen: Jetzt hast du mich erwischt!; er öffnet die Besteckschublade, nimmt die Messer und Gabeln heraus und poliert sie. Ich verzichte auf einen Kommentar. Stattdessen frage ich Felix, woher er kommt und wie lange er schon in London ist. Seine Familie komme aus Schweden, antwortet er, er sei aber in Boston, USA aufgewachsen und halte sich gern für einen Weltbürger. Ich kichere über den Begriff, und er erzählt uns, dass er versuche, sich an England und London zu gewöhnen.

»Woran? An das Schlangestehen, das Vorsicht an der Bahnsteigkante, das ständige sich für alles Mögliche Entschuldigen und so?«

»Ja, all das. An die Selbstironie, an die Art, wie ihr in jeder Situation einen Scherz parat habt, und daran, wie schwer es euch fällt, Komplimente anzunehmen ... Wusstest du, Callie, dass deine dunkle Augen sehr geheimnisvoll und seelenvoll sind?«

Er macht eine ernste Miene und schaut mir direkt ins Gesicht. Ich werde verlegen, weil er so attraktiv ist und so dicht bei mir steht. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass er sich über mich lustig macht, sondern mich in den Scherz einbezieht.

»Wenn du meinst.«

Ich laufe rot an und rücke etwas von ihm weg. Während ich mir mehr Cider eingieße, denke ich, dass er intelligent und witzig ist und dass ich ihn mag.

»Jetzt kommt schon und lasst uns den Film ansehen«, sagt Tilda. Ich nehme mein Glas und steuere zum anderen Ende des Sofas. Ich will es so machen wie bei den Filmnächten in meiner Wohnung, wo wir uns auch immer jeder an ein Ende setzen, die Brownies hin und her reichen und kurze Bemerkungen einstreuen wie: »Da sieht Keanu Reeves aber traurig aus«, oder: »Was für ein Regen draußen, es schüttet wie aus Eimern.« Nichts, was zu einem Gespräch führt, aber gerade genug, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, so als ob wir wieder Kinder wären. Aber ich bin zu langsam. Noch bevor ich es mir gemütlich machen kann, lässt sich Felix schon auf den Platz neben Tilda fallen und gibt mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich auf den alten Lehnsessel verbannt werde. Also lümmele ich mich hinein und lege die Beine auf den Couchtisch, während Tilda auf der Fernbedienung den Start-Knopf drückt.

Felix und ich haben Der Fremde im Zug noch nie gesehen, aber der Film gefällt uns beiden, der beruhigende Effekt, der von den Schwarzweißbildern ausgeht, die zackigen Stimmen und die Manierismen der 1950er Jahre, und im Verlauf des Films trägt jeder seine Kommentare bei. Tilda sagt mehr als Felix oder ich, denn sie ist Schauspielerin und so etwas wie Hitchcock-Expertin. Hitchcock stellt seine Bösewichte links ins Bild, erklärt sie uns, und die Guten nach rechts. Ich lache. »Dann bin ich die Böse, weil ich hier drüben sitze. Und du die Gute.«

»Ich bin der Interessanteste«, sagt Felix. »Ich bin in der Mitte und kann in jede Richtung gehen. Wer weiß, was ich im Schilde führe?«

»Oh, seht euch Ruth Roman an!« Tilda ist plötzlich abgelenkt. »Die Art, wie ihre Lippen ganz leicht geöffnet sind, ist so vielsagend.«

Ich brumme skeptisch, schürze die Lippen, und Felix zieht eine Braue hoch. Aber Tilda lässt sich nicht bremsen.

»Und Robert Walter ist als Psychopath unglaublich. Er macht diese raffinierte Sache mit den Augen, das lässt ihn so berechnend aussehen. Wusstet ihr, dass er kurz nach diesem Film gestorben ist, weil er betrunken war und ihm sein Arzt Barbiturat injizierte?«

»Der andere Typ benutzt seine Handgelenke«, bemerke ich. »Er spielt quasi aus dem Handgelenk.« Tilda lacht.

»Ich mag es, wie sich die Story entwickelt«, sage ich.

»Ja, Patricia Highsmith ... sie hat den Roman geschrieben, auf dem der Film basiert.«

Es geht darum, dass zwei Fremde sich in einem Zug begegnen und ihre Morde tauschen. Der Psychopath mit dem berechnenden Blick bietet dem HandgelenkTypen an, seine Frau umzubringen, die ihm zur Last geworden ist, wenn der Handgelenktyp im Gegenzug den verhassten Vater des Psychopathen ermordet. Die Polizei würde die Verbrechen nie aufklären, weil beide Mörder keinerlei Verbindung zu ihrem Opfer hätten. Es gäbe kein erkennbares Motiv.

»Das ist eine brillante Filmidee«, sage ich, »aber in der Praxis würde das nie funktionieren. Ich meine, falls man einen Mord planen und es so durchziehen wollte.«

»Wie meinst du das?« Tilda kuschelt sich an Felix.

»Tja, man müsste zum Beispiel ständig mit der Bahn fahren, wenn man versuchen will, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, der sich auch wünschte, dass jemand ermordet wird. Aber das ist höchst unwahrscheinlich.«

»Ach, jeder kennt doch irgendwen, den er am liebsten ermorden würde«, sagt sie.

Felix legt sich Tilda zurecht, so dass ihre Beine über seinem Schoß liegen. Seine Hand liegt auf ihren schmalen Knien, und mir fällt auf, wie schön sie beide sind – mit ihrem schmalen Körperbau, der weißen Haut und dem blonden Haar sehen sie aus, als seien sie die Zwillinge. Sie stoppen den Film, um die nächste Flasche des gleichen französischen Weins zu öffnen. »Was diese Mordgeschichte betrifft, hast du natürlich recht, Callie«, sagt Felix dabei. »Aber heutzutage bräuchte man nicht mehr Eisenbahn zu fahren, um andere Mörder kennenzulernen. Man könnte einfach im Internet jemanden suchen, in einem Forum im Darknet oder einem Chat-Room.«

»Das werde ich mir merken.«

»Ich glaube, das ist wirklich so«, sagt Tilda. »Psychos finden einander übers Internet.«

* * *

Wir sehen uns den Schluss des Filmes an, und hinterher sage ich, dass ich nach Hause muss, aber zuerst noch auf die Toilette. Es ist nur ein Vorwand; eigentlich muss ich gar nicht pinkeln. Sobald ich die Tür abgeschlossen habe, stöbere ich stattdessen herum und entdecke zwei Zahnbürsten in einem Plastikbecher und das Rasierzeug eines Mannes im Schrank über dem Waschbecken. Außerdem ist der Abfalleimer voll: leere Shampooflaschen, kleine Seifenreste, Wattepads, benutzte Rasierer, halbvolle Lotionfläschchen. Also hat Felix nicht nur die Küche neu organisiert, sondern auch die Unordnung in Tildas Badezimmer beseitigt. Ich bin froh, dass sich jemand um sie kümmert und bei ihr ausgemistet hat. Dann grabe ich mich tiefer in den Müll und ziehe eine Plastiktüte heraus, in die etwas Hartes gewickelt ist. Ich sitze auf der Toilette, wickle es aus und erwarte etwas ganz Normales, einen alten Nagellack oder Lippenstift vielleicht. Stattdessen fördere ich eine kleine benutzte Spritze mit einer dünnen Nadel hervor und bin so entsetzt und perplex, dass ich sofort ins Wohnzimmer laufe und mit dem Ding herumfuchtele. »Was zum Teufel ist das?«

Tilda und Felix sehen einander an und wirken beide etwas betreten. »Du hast unser Geheimnis entdeckt«, erklärt Tilda ihre Mienen. »Wir setzen uns Vitamin-B12Spritzen – das hilft uns, leistungsfähig zu bleiben. Leben auf der Überholspur und all das.«

»Wie bitte? Das ist verrückt. Ihr solltet euch schämen!« Ich kann es kaum fassen und halte immer noch entrüstet die Spritze hoch.

»Willkommen in der Welt der Hochfinanz«, sagt Felix.

»Also ehrlich!« Tilda lacht mir in mein perplexes Gesicht. »Ganz ehrlich, es gibt keinen Grund zur Sorge. Das machen viele erfolgreiche Leute. Schauspieler tun es ... Banker tun es ... du kannst es ja googeln, wenn du mir nicht glaubst.« Dann stutzt sie. »Aber ... wieso zum Teufel durchsuchst du eigentlich meinen Mülleimer?«

Darauf fällt mir keine Antwort ein, also zucke ich hilflos mit den Schultern und sage, dass ich jetzt besser nach Hause gehen sollte. Tilda sieht mich von der Seite mit einem Blick an, der meint: Du bist unverbesserlich!, und holt mir den Mantel.

Felix sagt, er hoffe, mich bald wiederzusehen, und umarmt mich zum Abschied, kurz und freundlich, wie große, Rugby spielende Männer ihre Nichten und Neffen umarmen.

* * *

Zu Hause fahre ich meinen Laptop hoch und google nach Vitaminspritzen. Tilda hat recht, stellt sich heraus, und ich bin überrascht, was für seltsame Dinge Karrieretypen tun, um zu »erreichen, was sie sich vorgenommen haben«. Ich beschließe, es dabei bewenden zu lassen und zu akzeptieren, dass Tilda und Felix in einer anderen Welt leben als ich. Dann fange ich an, mir Notizen über die beiden zu machen. Dabei arbeite ich in einer Datei, die ich mein »Dossier« nenne. Das ist eine Angewohnheit aus meiner Kindheit: Tilda im Auge zu behalten, sie zu beobachten und mich zu vergewissern, dass es ihr gutgeht.

Felix wirkt sehr speziell. Er kann einem ein Gefühl vermitteln, als habe man sich irgendwie mit ihm verschworen und mache sich mit ihm zusammen über den Rest der Menschheit lustig. Ich bin überrascht, dass sie uns vorgestellt hat, und nachdem ich ihn jetzt kennengelernt habe, freue ich mich, dass sie einen passenden Partner gefunden hat und er sich so gut um sie kümmert.

CHAPTER 2

Am Mittwoch ruft meine Schwester an und lädt mich zum Abendessen ein. Ich bin überrascht, weil ich dachte, sie sei wegen des Vorfalls mit dem durchwühlten Mülleimer noch sauer, aber sie erwähnt das mit keinem Wort. Als ich in die Curzon Street komme, erwartet mich Rehpfeffer mit Wacholderbeeren und Rotwein, von Felix zubereitet, dazu eine Zitronentarte.

»Du bist ein Genie!«, sage ich, und er belohnt mich mit einem anzüglichen Blick, der sagt: Mich hättest du wohl gern.

»Felix hat die Tarte selbst gemacht«, sagte Tilda. »Er hat ein Händchen für Gebäck – und lange kalte Finger.«

Er wackelt mit den Fingern, während wir ihm gestehen, uns noch nie an Gebäck und Torten versucht zu haben und sie immer fertig kaufen. Wie ich feststelle, hat Felix ein Faible dafür, noch während er in der Küche arbeitet, alles hinter sich aufzuräumen, deshalb gibt es nichts zu tun, als ich nach dem Essen helfen will. Alle Flächen sind aufgeräumter und sauberer, als ich sie je gesehen habe, alle Töpfe und Pfannen stehen wieder in den Schränken. »Wie machst du das?«, frage ich. »Das ist Zauberei.«

»Ein angeborenes Talent ... Aber jetzt denk mal nicht ans Saubermachen, Callie, und überzeuge Tilda davon, dass es romantisch wäre, am Sonntag mit dem Boot die Themse hinunterzufahren. Bis nach Windsor und Bray, wo die Schwäne sind.«

»Mit was für einem Boot?«

»Einem einfachen Holzboot. So richtig englisch.«

»Schon gut«, sagt Tilda, »ich bin dabei.«

Sie sieht ihn von unten durch den Vorhang ihres Haars hindurch an; es ist ein weicher, verklärter Blick, und irgendwie tut es mir weh, zu sehen, wie total verliebt sie in ihn ist. Sie merkt, dass ich sie beobachte, und sagt: »Du solltest mitkommen, Callie. Wäre das nicht herrlich?«

Diese überschwängliche Art passt überhaupt nicht zu ihr, und ich kann es mir nicht verkneifen, sie ein bisschen auf den Arm zu nehmen. »O ja, das wäre ganz herrlich ... ganz herrlich.«

* * *

Am Sonntag mietet Felix einen schnittigen roten Peugeot, und wir packen Sachen für ein Picknick in Berkshire ein. Es ist nicht weit, die Fahrt dauert eine Stunde, aber als wir ankommen, sind wir in einer anderen Welt. Der Fluss ist so breit und beeindruckend, das dichte Unterholz erwacht frühlingshaft mit ersten winzigen Blättern und Knospen zum Leben. Das Boot ist genau, wie Felix es sich gewünscht hatte – klein und offen mit Heckmotor, der Holzrumpf hat einen schadhaften roten Anstrich. »Perfekt«, sage ich, bewundere, wie es an der Leine dümpelt, und mustere die drei Sitzbänke und das Notpaddel.

Wir klettern an Bord, tuckern auf dem Fluss herum und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Es ist herrlich, die flüchtige Wärme im Gesicht zu spüren. Minutenlang liebkost uns goldenes Sonnenlicht, dann entzieht es sich wieder. Ich lehne mich über den Bootsrand, lasse die Finger durchs schwarze Wasser gleiten und fröstele. »O Gott, ist das kalt!«

Wir fahren an offenen Feldern vorbei, an Schloss Windsor, an weißgekalkten Stadtrandvillen mit Rasenflächen, die bis ans Wasser reichen, und ich entdecke einen Reiher am anderen Ufer.

Felix steuert am Heck und sagt: »Lasst uns schwimmen.« Wir befinden uns gerade in einem breiten Flussabschnitt, ein dichtes Waldgebiet auf einer Seite, ein flaches, leeres Feld auf der anderen. Ich halte nach Leuten Ausschau, aber da sind keine.

»Es ist zu kalt!«, protestiere ich. »Und nicht sicher. Sind nicht sogar schon Leute in der Themse ertrunken?«

Aber Felix und Tilda hören nicht auf mich. Stattdessen bindet Felix das Boot an einem überhängenden Ast fest, und die beiden reißen sich begeistert die Kleider vom Leib, als wollte jeder der Erste sein. Dann stehen sie beide völlig nackt auf, und das Boot schaukelt wie verrückt, als sie in Position gehen, um ins Wasser zu springen. Zwei schlanke, bleiche Körper. Tilda packt Felix plötzlich am Arm. »Mir ist jetzt schon furchtbar kalt! Ich kann nicht.«

»O doch, du kannst!«

Mit einer ausladenden Bewegung nimmt er meine Schwester in die Arme und drückt sie sich an die Brust. Jetzt sehe ich erst, wie muskulös und kräftig er ist. Sie schreit: »Nein! Nein!« und strampelt mit den Beinen, als er sie über Bord ins Wasser schleudert. Dann hechtet er selbst hinein. Einen ganz kurzen erschreckenden Moment lang verschwinden sie beide im Dunklen, dann tauchen sie wieder auf und spritzen herum. Tilda schreit, und ich weiß nicht, ob sie aufgeregt oder wütend ist. »Komm schon, Callie«, ruft sie dann jedoch. »Es ist toll!«

(Continues…)


Excerpted from "White Bodies"
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