Ziemlich beste Mütter: Roman

Ziemlich beste Mütter: Roman

by Hanna Simon
Ziemlich beste Mütter: Roman

Ziemlich beste Mütter: Roman

by Hanna Simon

eBook4. Auflage (4. Auflage)

$10.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers


Overview

Wir können alles – außer Männer!

Marie zieht nach Berlin, als der Vater ihres Sohns ihr nach 6 Jahren und 24 Quartalsbeziehungen eröffnet, dass er die Winter-Freundin heiraten wird. Aber auch hunderte Kilometer von ihm entfernt ist das Leben nicht ganz so leicht. Florians Einschulung ist die Schulhof-Version von Hölle: nur überehrgeizige Super-Mamis. Gut, dass es da noch Alexa, Katrin und Olivia gibt. Zusammen kann man wunderbar die anderen perfekt sein lassen. Aber gelingt es ihnen auch, Katrin bei ihrem Kinderwunsch zu unterstützen, Alexas Bindungsangst zu besiegen, die Mobbing-Attacken gegen Florians Lieblingslehrerin abzuwenden und vor allem: für Marie endlich eine neue Liebe zu finden? Witzig, authentisch und mit hohem Identifikationspotential: vier Frauen unter Übermüttern.


Product Details

ISBN-13: 9783841214027
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 09/15/2017
Series: Wir können alles - außer Männer , #1
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 352
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Hanna Simon, 1970 in Bielefeld geboren, arbeitete lange Zeit als Projektleiterin. Deswegen schafft sie es auch immer, die großen und kleinen Familienkatastrophen zu ignorieren, abzuwenden oder aufzufangen – und das meistens sogar fast perfekt. Mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen lebt sie in der Nähe von Frankfurt am Main.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Mona Lisa

(Öl auf Pappelholz, 1503, Leonardo da Vinci)

»Hallo? Alles in Ordnung?«

Marie drehte sich zu dem Mann um, der ihr einen Becher mit dem knallbunten Emblem der Friedrich-Gottlieb-Klopstock-Grundschule reichte.

»Bitte?« Marie war irritiert.

»Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen. Ach, warten Sie, Sie wollten Ihren Kaffee ja mit Milch. Zucker gibt es hier leider nicht.« Er nahm ihr den Becher aus der Hand und hantierte mit einer dunkelbraunen Glasflasche.

Marie nickte etwas eckig. Sie strich eine Strähne ihres lockigen Haares hinter das Ohr und anschließend ihre Bluse glatt.

»Und?«, fragte der Mann weiter und strahlte sie an, als wäre Kaffeeverkauf auf einem Schulhof seine wahre Erfüllung.

»Bitte?« Sie mochte ihn schon jetzt nicht. Und schon gar nicht seine offenherzige Art, sie auszufragen.

»Heute Einschulung?«

»Ja, richtig. Mein Sohn wird heute eingeschult.« Marie nahm zum zweiten Mal den Becher entgegen.

»Wie schön! Willkommen an unserer Schule! Und der Mann da?« Er deutete auf den gutaussehenden Hünen, der gerade dem weißen Aston Martin mit britischem Kennzeichen entstieg und dessen Erscheinen Marie derart erschreckt hatte, dass es offensichtlich allen Umstehenden aufgefallen war. Sie räusperte sich und strich sich wieder eine Locke hinters Ohr, die da einfach nie bleiben wollte.

»Ihr Exmann, richtig?«

Marie spürte den Drang, weit, weit wegzulaufen. Vor dem Mann mit dem Kaffee – aber auch vor dem Aston Martin, zu dem sie jetzt wie unter Zwang hinüberschaute. Der Blick des Kaffeemannes folgte dem ihren, und so wurden sie gemeinsam Zeuge, wie eine bildschöne junge Frau in einem zitronengelben Etuikleid ausstieg.

»Hatten ihn wohl nicht hier erwartet, was? Und der bringt auch noch seine Neue mit.«

Marie nahm einen großen Schluck Kaffee, murmelte ein Danke und drehte sich um.

Bloß schnell weg von dieser Nervensäge.

»Trösten Sie sich, meine Exfrau geht mir auch immer auf die Nerven, das ist ganz normal«, rief er ihr hinterher.

Marie beschleunigte ihren Schritt, weg von dem Stand hinüber zu einer alten Linde. Sie war gleichzeitig wütend und verzweifelt.

»Zucker macht nicht glücklich«, sagte plötzlich eine verschüchterte Stimme hinter ihr. Marie drehte sich um. Ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, stand vor ihr, es trug ein T-Shirt mit einem kariösen Zahn darauf und hielt ihr einen Zettel hin. »Zucker macht nicht glücklich«, wiederholte es nun deutlich leiser. Marie nahm das zerknitterte Infoblättchen über gesunde Ernährung mit einem zerstreuten Kopfnicken entgegen.

»DIE ZUCKERPOLIZEI RÄT: KEINEN ZUCKER AM MORGEN! KEINEN ZUCKER AM ABEND!«, stand da in riesigen Lettern oben auf dem fotokopierten Faltblatt. »SCHMERZEN UND KARIES!ZUCKER GEFÄHRDET DIE GESUNDHEIT!« Es klang wie die Hinweise auf Zigarettenpackungen. Marie fuhr sich reflexartig mit der Zunge über ihre Schneidezähne.

»Handys machen nicht glücklich«, sagte nun eine andere, allerdings sehr dumpf klingende Stimme. Neben das Mädchen war ein großes Plüschhandy getreten, aus dessen Tastatur ein knallrotes, verschwitztes Gesicht linste. Wieder wurde Marie ein Flyer gereicht, dann trollten sich das Handy und der kariöse Zahn.

»UNSERE KINDER MÜSSEN GESCHÜTZT WERDEN! HANDYS MACHEN AGGRESSIV!«, stand da. Ein sehr böses Handy war darauf zu sehen, das mit einem Maul voller spitzer Zähne das Hirn eines Strichmännchens verspeisen wollte.

»Oh, Himmel!«, entfuhr es Marie. »Sind die alle hier so drauf?«

Das Plüschhandy und der unglückliche Zahn verbreiteten ihre furchteinflößenden Prophezeiungen derweil woanders. Marie musste kurz lächeln, als das plüschige Handy seinen Flyer einem Mann zusteckte, der gerade eifrig dabei war, seine Familie beim Warten auf die i-Männchen mit dem Smartphone zu filmen.

Irgendwie ein interessanter Gedanke, überlegte Marie. Was genau würden unsere strapazierten Zähne eigentlich zu uns sagen, wenn sie könnten? Über das, was wir essen und wie wir es essen. Und darüber, dass manche Leute offenbar meinten, ihr Lächeln müsse ein Alptraum in gebleachtem Hyperweiß sein? Oder die Handys, nachdem wir den ganzen Tag auf seinem Bauch rumgedrückt haben? Vielleicht: Ruf mich nicht an – ich ruf dich auch nicht mehr an?

Marie atmete durch und erinnerte sich wieder an ihr eigentliches Problem: Constantin war hier. Und mit ihm seine Verlobte Viola.

Marie hasste diesen seltsamen Gefühlswirrwarr, in den sie immer geworfen wurden, wenn sie auf den Vater ihres Kindes traf. Diese Mischung aus unüberlegter Freude und fiesem Schreck.

Warum hatte er sie denn nicht vorgewarnt? Er schrieb ihr doch sonst alles. Aber daran war sie wahrscheinlich selber schuld. Schließlich wusste er nichts vom Schrecken. Genauso wenig wie von der Freude. Wie viel weiter hätte sie eigentlich noch von ihm wegziehen müssen, damit genau solche Situationen nicht mehr passierten? Sie nippte an ihrem Kaffee und schaute auf die fotokopierten Flyer.

Was genau war von einer Schule zu halten, die die neuen Schüler derart bildgewaltig begrüßte? Bunte Horrorbilder? War nicht das Erwachsenenleben schlimm genug? Musste man schon so früh mit dem Fürchten beginnen?

Eigentlich sollte ich darüber lachen, dachte sie matt, wenn da nicht das Gefühl wäre, dass sie das alles vielleicht zu sehr auf die leichte Schulter nahm. War sie etwa zu fahrlässig in der Erziehung ihres Sohnes Florian?

»Irgendwie sehr skurril das Ganze hier«, flüsterte sie in den Kaffee. Skurril war ein äußerst treffender Ausdruck.

Schon die gestrige Veranstaltung war definitiv einer der skurrilsten Infoabende gewesen, die Marie je besucht hatte. Eigentlich war sie nur hingegangen, um ein bisschen Anschluss zu finden. Erst vor einem Monat war sie aus München hier in Berlin angekommen und kannte niemanden.

In der holzgetäfelten Aula der altehrwürdigen Schule hatten sich die Eltern aller vier ersten Klassen versammelt. Gut gekleidete Menschen, ernst und offenbar bestens untereinander vernetzt. Das lokale Maximum an Diskutierfreude, Kritikbereitschaft und Kennerschaft in allem, was die Erziehung so hergibt.

Für Marie klang es, als gebe es einen regelrechten Schwarzmarkt für die Handynummern der besten Kindermädchen, der besten Nachhilfelehrer (jetzt schon Nachhilfe?), aber auch für die Notfallnummern des Direktoriums. Marie hörte von irgendwoher eine Forderung nach Pausen-Yoga, um Haltungsschäden vorzubeugen.

»Was darf in die Schultüte, Karen? Da dürfen doch keine Süßigkeiten rein?«, fragte die Frau, die gerade Marie überholte auf der Suche nach einem freien Platz im Publikum.

»Keinesfalls! Ich werde eine elektrische Zahnbürste hineinlegen. Da wird sich der Lukas bestimmt freuen! Und natürlich ist die Schultüte kompostierbar!«

»Selbstverständlich!«

Marie beschlich ein leichtes Unwohlsein.

Diese Mütter schienen offenbar seit Generationen die besten Nachbarn, erfahrene Gesundheitsapostel und Erziehungsexperten zu sein und kannten jeden Lehrer beim Vornamen. Marie kannte nicht mal genau den Namen von Florians Klassenlehrer! Diese Übermacht an mütterlichem Wissen hier schien schon bei der Anmeldung nicht nur alle Namen von Freunden, sondern auch alle in Frage kommenden Lehrern angegeben zu haben. Durfte man das? Und wenn ja, wo?

Marie fühlte sich augenblicklich im Nachteil und etwas ausgeschlossen. Sie hatte sich in eine der hinteren Stuhlreihen gesetzt, um die Leute ungestört zu beobachten. Hier konnte sie sich auch in Ruhe darüber ärgern, dass sie ihr altes Lieblingskleid angezogen hatte. Hier trug man eindeutig Businesskleidung. Die Männer trotz Wärme Sakko, die Damen Hosenanzug, als wollten sie allesamt in die Politik gehen. Kinder sind Chefsache.

»Ich bestehe auf biodynamischem Essen in der Schulkantine! Sonst nehme ich unseren Tillmann gleich wieder von der Schule!«, ereiferte sich einer der Hosenanzüge.

»Wir sollten ein Probeessen arrangieren!«

»Du sagst es, meine Liebe!«

»Oh, wenn man nicht alles hinterfragt!«

»Ja, immer am Ball bleiben, sonst sind unsere Kinder die Leidtragenden.«

»Schlechtes Essen, schlechte Bildung, sag ich nur!«, grummelte ein Vater dazwischen. Die Umstehenden nickten todernst. Man setzte sich zum Glück weit weg von Marie.

Die atmete halbherzig durch. Dieses nahezu hysterische Gehabe war ihr fremd. Im heimatlichen Kindergarten war alles noch so locker gewesen, die anderen Mütter waren entspannt, das Essen solide, und die Eltern kamen gut aus mit den Erzieherinnen. Hier jedoch klang es, als wappneten sich die Eltern für eine pädagogische, biodynamische Schlacht gegen den Lehrkörper.

»Wir müssen da aufpassen! Sonst sind unsere Kinder sofort abgehängt! Keine Bildung, kein Job. Arbeitslos und drogenabhängig. Sofort.«

Himmel! Abgehängt von was? Ob Zucker schon eine Droge ist in Berlin?

Marie war ratlos. Lange hatte sie sich nicht mehr so alleine gefühlt. Ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, als Alleinerziehende nach Berlin zu kommen? Was hatte sie sich bloß dabei gedacht! In eine so große Stadt, voller unbekannter Unwegsamkeiten und vor allem voller Berliner Mütter! Hilfe!

Sie hatte nicht einmal geahnt, was für eine Bürde das ist, Kind zu sein. Und welche heroischen Herausforderungen an eine Mutter gestellt würden.

Na ja, seufzte sie. Vielleicht haben die hier alle ja einfach einen gewaltigen Dachschaden? Oder bin ich eine schlechte Mutter? Unfähig, nicht vorausschauend genug, uninformiert, leichtsinnig! Jetzt beruhige dich, Marie! Flos Schulalltag hat nicht mal angefangen, und die dreht schon durch! Ruhe, setzen!

»Aus dem Kaufhaus? Das ist nicht dein Ernst? Nein!«, echauffierte sich eine Dame in Schweinchenrosa linker Hand in der Reihe vor ihr.

»Ich sage es dir, Uschi, manche kaufen das dort!«

»Aber doch nicht im Kaufhaus! So was Lebenswichtiges kann man doch nicht von der Stange kaufen!«

»Wenn ich es dir doch sage! Ich hab es selbst gesehen!« Hatten die beiden sich etwa nach ihr umgeblickt?

»Wo sind wir denn? Das kann doch nicht wahr sein! Wie im Mittelalter! Haben die Leute denn keinen Anstand! Das hier ist schließlich eine Privatschule!«

Marie hatte eine Weile gebraucht, um herauszubekommen, um was es den beiden Damen überhaupt ging.

»Der Schulranzen ist das A und O! Da trennt sich die Spreu vom Weizen, meine Liebe!« Beide nickten, und ihre Frisuren schwangen fröhlich mit.

Marie zupfte an ihrem Pferdeschwanz, während sie mit wachsendem Unbehagen den Ausführungen der beiden lauschte. Sie konnte einfach nicht weghören. Es war wie ein akustischer Unfall, dem man einfach weiter zusehen musste. Die Mütter erklärten sich gerade gegenseitig, wie wichtig es für die weitere Karriere war, dass ein Kind einen ergonomischen Schulranzen im Gegenwert eines Kleinwagens jeden Morgen in der Schule spazieren führte.

Maries Stimmung sank stetig. Nur vage kam ihr noch der Einwand in ihren Sinn, dass sich diese Damen vielleicht selber viel wichtiger nahmen als die Zukunft ihrer Kinder. Immer mehr beschlichen Marie mütterliche Versagensängste. Hatte sie jemals so viele Fragen gestellt, geschweige denn war überhaupt auf solche Probleme gekommen, damit diese schier unlösbar diskutiert werden konnten? War sie überhaupt kompetent genug als begleitendes Personal? Fehlte ihr nicht komplett die Befähigung zur Mutter?

Marie hatte Florian vor ein paar Tagen einfach den Schulranzen gekauft, den er am tollsten fand. Einen mit einem riesigen roten Auto drauf. Sie hatte weder überprüft, ob die enthaltenen Buntstifte ungiftig (er würde die doch nicht essen!?) waren, die Wachsmalstifte ergonomische Halterungen hattenoder die Hefte aus naturgebleichtem Zellstoff bestanden (der Baum, aus dem sie gemacht waren, war ohnehin tot!).

Sie hatte nicht mal Florian zu irgendeinem Frühförderkurs angemeldet. Sie hatte keinen Zettel mit AG-Wünschen dabei, nichts! Sie war völlig unvorbereitet zu diesem Infoabend gekommen, weil sie dachte, sie würde hier informiert und nicht, dass sie schon alles wissen musste!

Und die Schultüte hatte Maries Mutter gekauft. Auch was mit Autos drauf. Einfach so gekauft. Himmel!

Verzweifelt suchte Marie in ihrer Handtasche nach etwas, auf dem sie sich Notizen machen konnte. Alle hatten etwas zum Notieren mitgebracht. Manche Männer hielten sich das obligatorische Riesensmartphone vor die Nase, um einerseits das Weltgeschehen nicht aus den Augen zu verlieren, andererseits gleich notwendige Arbeitsaufträge zu generieren.

Nach erfolgloser Suche gab sie entnervt auf, den Anschein zu erwecken, als hätte sie Ahnung vom Muttersein.

Nachdem die sie umzingelnden Eltern sich untereinander zu Ende begrüßt, ihr großes Engagement bezüglich der schulischen Laufbahn ihrer Kinder wortreich bekundet und ihren Platz eingenommen hatten, wurde es etwas ruhiger im Saal. Schließlich trat der Rektor in einem zitronengelben Talar ans Mikro und breitete die Arme aus, als wolle er alle Väter und Mütter einfangen.

»Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen, liebe Eltern, zu diesem ganz besonderen Infoabend! Mein Name ist Kaspar, und ich werde Ihnen hoffentlich heute die großen Sorgen, die Sie nun erfüllen, da Ihre Kinder den großen Schritt in den Ernst des Lebens tun, nehmen können!«

Während Marie den freundlichen und vor allem beruhigenden Begrüßungsworten lauschte, bemerkte sie, wie drei junge Frauen sich noch eilig freie Plätze suchten und sich schließlich kichernd direkt in die Reihe hinter Marie setzten.

Wow, dachte sie augenblicklich erfreut. Mütter, die kichern!? Vielleicht ist Schule ja doch nicht der Höllenschlund, der sie gerade zu sein scheint!

Das Kichern hinter ihr wurde nun unterbrochen von leisem Getuschel oder dem Geräusch von Bonbonpapier. Marie hätte alle ergonomischen Schulranzen der Welt dafür gegeben, wenn jemand ihr mal was zuflüstern würde, das sie zum Lachen brachte.

Rektor Kaspar schlug sich tapfer. Geduldig machte er einem hochgradig alerten Elternpaar, das ihn mit atemlosen Fragen zu Schulessen und Zusatzlernangeboten bestürmte, klar, wie gut es wäre, wenn man ihn erst einmal aussprechen lassen würde. »Liebe Eltern, stellen wir erst einmal Ihre Fragen zurück, vielleicht wird sich ja das eine oder andere bereits von selbst klären!«

Grummeln war die Antwort. Es klang, als wären die Resteltern über den kecken Vorstoß der beiden entrüstet – weil sie selber nicht darauf gekommen waren.

Der Rektor war ein älterer Herr, der ein bisschen aussah, wie sich Marie John Lennon mit sechzig Jahren vorgestellt hätte. Gerade als sie sich etwas entspannte und dachte, das würde jetzt doch alles nicht so schlimm, erhob sich eine dürre Dame und trat energisch ans Mikro.

»Oh, Gott, die Rasenfeld!« zischelte es hinter Marie.

»Ja, stimmt. Die ist doch Schulelternbeirätin. Die lässt echt nichts aus, um sich wichtig zu machen.«

»Verdammt, ich dachte, die seien wir jetzt endlich los.«

»Warum ist die denn hier?«

»Ihre Benedicta wird auch hier eingeschult. Aber in der sechsten Klasse ist noch ihre Cheyenne und in der dritten ... den Namen habe ich einfach vergessen.«

»Wie viele Kinder hat die denn?«

»Fünf!«

»Fünf? Wer glaubt sie denn, wer sie ist? Ursula von der Leyen? Jemand sollte ihr mal einen Orden verleihen. Die goldene Plazenta oder so.«

Marie drückte sich schnell die Hand auf den Mund, sonst hätte sie laut losgelacht. Zu gerne hätte sie sich umgedreht, aber es schauten sich zu viele Eltern um und zischelten böse über diese Störungen.

Eine der weiblichen Stimmen hinter ihr klang anders als die anderen. Das I war sehr hoch und klar, das O und das A erstaunlich tief. Das H klang wie ein Ch.

Frau Rasenfeld breitete gerade ihre knochigen Arme aus. »Guten Abend, liebe, liebe Eltern unserer schönen Privatschule! Willkommen, liebe Klopstöcker!«, brüllte sie ins Mikro, ihr Gesicht zu einem selbstzufriedenen Lachen verzogen. Wie eine Spinne mit prallgefülltem Einkaufsnetz. Das Publikum starrte die Elternbeauftragte sprachlos an.

»Meine Name (Pause und lautes Luftholen) ist Carola Rasenfeld, und ich bin die Schuleltern-(Pause)-beirätin. Wir sagen SEBlerin. Ich bin da, um Ihnen die Sorgen etwas zu erleichtern, die Sie nun aus gegebenem Anlass, (Pause, leichtes Kopfnicken) dem Schulstart Ihrer Goldstücke, zu recht (Finger in die Höhe streckend) haben!«

»Die hat nicht wirklich Klopstöcker gesagt oder?«

»Hat sie.«

»Die Frau hat doch einen Klopstock zu fest auf den Kopf bekommen.«

»Ausgerechnet Klopstock. Der war doch so empfindsam. Wenn der das wüsste.«

Kichern.

»Schscht. Ruhe, ich verstehe ja kaum was!«, zischelte eine Mutter vor Marie erzürnt nach hinten.

»Ruhe? Wieso Ruhe? Wer muss da zuhören? Die Rasenfeld ist ja NOCH schlimmer als letztes Jahr im Kindergarten! Was genau wird sie uns schon sagen können, außer dass die Schule anfängt! Mehr ist nicht! Alles gut!«

Die Frau, die sich beschwert hatte, schien es zu bedauern, diesen zischelnden Wutanfall ausgelöst zu haben.

Marie platzte fast vor Neugierde, wer da hinter ihr saß.

Vorn am Mikro schien sich Frau Rasenfeld gerade erst richtig warmgeredet zu haben. Alles wirkte sehr professionell, so als mache sie es nicht zum ersten Mal. Sie hatte sogar kleine Kärtchen dabei, auf denen Stichworte standen, die sie nach und nach abarbeitete.

(Continues…)



Excerpted from "Ziemlich beste Mütter"
by .
Copyright © 2017 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin.
Excerpted by permission of Aufbau Digital.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews