Zur rechten Zeit: Wider die Rückkehr des Nationalismus Mit Beiträgen der deutschen Sachbuchpreisträgerin 2024

Zur rechten Zeit: Wider die Rückkehr des Nationalismus Mit Beiträgen der deutschen Sachbuchpreisträgerin 2024

Zur rechten Zeit: Wider die Rückkehr des Nationalismus Mit Beiträgen der deutschen Sachbuchpreisträgerin 2024

Zur rechten Zeit: Wider die Rückkehr des Nationalismus Mit Beiträgen der deutschen Sachbuchpreisträgerin 2024

eBookAuflage (Auflage)

$21.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

Die Sehnsucht nach einer "konservativen Revolution" zieht sich durch die gesamte deutsche Nachkriegsgeschichte. Immer wieder forderten Nationalkonservative und Rechtsradikale die liberale Demokratie heraus. Doch seit der "Flüchtlingskrise" hat sich die Sprengkraft ihrer Argumente enorm verstärkt: Viele Positionen von AfD, Pegida und der Neuen Rechten sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und das Verlangen nach einer heilen Geschichte heizt die Stimmung weiter an. Sind das noch die Deutschen, die glaubten, ihre Vergangenheit mustergültig "bewältigt" zu haben? Präzise führen die Autoren vor Augen, was derzeit auf dem Spiel steht – und wie es dazu gekommen ist.


Product Details

ISBN-13: 9783843720588
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 02/22/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 256
File size: 4 MB
Language: German

About the Author

Prof. Dr. Norbert Frei lehrt Neuere und Neueste Geschichte in Jena und leitet das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Norbert Frei lehrt Neuere und Neueste Geschichte in Jena und leitet das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts. Franka Maubach ist Historikerin an der Universität Jena und schreibt derzeit an einer Arbeit über die Deutung des „deutschen Sonderwegs“. Christina Morina lehrt Neuere und Neueste Geschichte Deutschlands in Europa an der Universität Amsterdam. Maik Tändler ist Historiker an der Universität Jena und forscht zur Geschichte der intellektuellen Rechten in Deutschland.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

»Einmal muss doch Schluss sein« Die Gegenwart der Vergangenheit in der Ära Adenauer

Den ganz großen Eintrag in die Annalen des Freistaats Braunschweig verpasste Stadtoldendorf Anfang Februar1932, als die Idee verworfen wurde, Hitler dort zum kommissarischen Bürgermeister und auf diesem Weg zum deutschen Staatsbürger zu machen. Einen Weltkrieg und eine Länderneuordnung später, im Herbst 1951, gelang den Ratsherren der nunmehr niedersächsischen Idylle aber doch noch ein kleiner Coup: Im kommunalen Gaswerk übergaben sie in einer nachmittäglichen Zeremonie ein Konvolut mit Angaben zu 600 früheren NSDAP- Mitgliedern dem Feuer. Walter Dach, vormals Entnazifizierungskommissar, inzwischen CDU-Stadtrat, sprach von einem »Akt der Versöhnung und Gerechtigkeit im Geiste unseres Grundgesetzes«, und Bürgermeister Wilhelm Noske, Sozialdemokrat und Geschichtslehrer, pflichtete bei: Seine Stadt ziehe damit als erste in der Bundesrepublik »einen Schlussstrich unter die gesamte Entnazifizierung«.

Sehr viele solcher Veranstaltungen hat es im Nachkriegsdeutschland wohl nicht gegeben, wobei besagte Aktion noch einen ganz eigenen Beigeschmack besaß insofern, als die Idee dazu bei einem Festessen entstand: im Anschluss an eine Kranzniederlegung zum 50. Gründungstag des städtischen Krankenhauses, mit der man dessen jüdischem Stifter Geheimrat Max Levy gedachte. Aber Formulierungen wie die, mit denen in Stadtoldendorf die Akten in den Ofen wanderten, waren Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre überall zu hören. Daraus sprach die oft eigentlich nur noch als Hass zu beschreibende Aversion einer übergroßen Mehrheit der Deutschen gegen das Projekt einer grundlegenden politischen Säuberung, das die zonalen Militärregierungen1945/46 in Gang gesetzt hatten.

Faktisch handelte es sich um ein gesellschaftliches Großexperiment, das schon zu Beginn lediglich von einer Minderheit der Gegner und Verfolgten des NS-Regimes wirklich begrüßt, unter dem Eindruck wachsender Kritik aus den neu entstandenen Parteien und der Obstruktion der deutschen Verwaltung nach zwei, drei Jahren schrittweise zurückgenommen und schließlich ganz abgebrochen wurde. Wie immer man sein Ergebnis in der Rückschau bewertet – seine Geschichte lässt ahnen, wie lang, wie steinig und mit welchen Schlaglöchern durchsetzt die Strecke bis zu der Einsicht war, die heute wohl immer noch die meisten Deutschen teilen: dass gesellschaftliche Zukunft nicht durch Verleugnung und Verdrängung des Gewesenen gewonnen wird, sondern durch einen kritisch-aufklärerischen Umgang damit.

Der Schock der Niederlage, auch das Erschrecken über die Bilder und Informationen aus den befreiten Konzentrationslagern, mit denen die Alliierten die besiegten Deutschen unmittelbar nach Kriegsende konfrontierten, hatten ihre Wirkung zunächst nicht verfehlt. Als im Herbst 1945 der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg zusammentrat, hielten in der amerikanischen Besatzungszone zwei Drittel der Befragten den Prozess gegen die sogenannten Hauptkriegsverbrecher für »fair«. Das änderte sich in dem Maße, in dem den Deutschen klar wurde, dass es den Siegermächten nicht darum ging, die Großen zu hängen, um die Kleinen laufen zu lassen. Je mehr Ermittlungen und Verfahren auch gegen Parteifunktionäre, SS-Leute und Wehrmachtsangehörige aus der zweiten und dritten Reihe begannen, umso lauter wurde das Murren in der post-nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.

Vor allem aber stieß man sich daran, dass im Zuge der politischen Säuberung jeder erwachsene Deutsche Rechenschaft ablegen sollte. Der »Fragebogen«, ein zu diesem Zweck ausgegebenes Formular mit 131 Positionen, galt nicht nur Ernst von Salomon als Dokument der Inquisition; mit seiner 1951 unter diesem Titel veröffentlichten Polemik landete der frühere Rechtsterrorist aus den Reihen der Rathenau-Mörder (»Organisation Consul«) einen Bestseller, der die Stimmung in der jungen Bundesrepublik spiegelte. In der stalinistischen DDR gab es solche Gefühle zweifellos auch, nur durften sie öffentlich keinen Ausdruck finden.

Hatten sich zunächst fast überall im Westen Freiwillige gefunden, die, beseelt von der Idee eines Neuanfangs, als Öffentliche Ankläger vor den sogenannten Spruchkammern fungierten, nahm der Wille zum politischen Großreinemachen bald dramatisch ab. Zumal den Insassen der Internierungslager und den aus dem öffentlichen Dienst Entlassenen – ihre Zahl lag zeitweise immerhin in den Hunderttausenden – ging es weniger darum, ihre Gewissen zu erforschen, als vielmehr jene Zeitgenossen ausfindig zu machen, die ihnen die am schönsten exkulpierenden »Persilscheine« schrieben. So wurde aus einem Verfahren, das zwar massenhaft, aber doch jeweils individuell politische Schuld identifizieren und die Belasteten aus wichtigen Ämtern und neu aufzubauenden Behörden heraushalten sollte, tatsächlich die von der zeitgeschichtlichen Forschung später diagnostizierte »Mitläuferfabrik«.

Aber heißt das, alles Bemühen um einen auch personalpolitischen Neuanfang in Deutschland sei am Ende wirkungslos geblieben, die Entnazifizierung völlig gescheitert? Wer so argumentiert, der verharrt zu sehr in der Wahrnehmung der Zeitgenossen, die auf die fraglos unzähligen bürokratischen Mängel, Unstimmigkeiten und Ungerechtigkeiten des überdies in den einzelnen Ländern und Besatzungszonen recht unterschiedlich gehandhabten Verfahrens fokussiert geblieben ist. Und der übersieht die gerade auch in diesem Handlungsrahmen neu gesetzten demokratiepolitischen Normen und Grenzen, die ihre Wirkung auf Dauer nicht verfehlten. Mit größerem Abstand und einer weiteren Perspektive ergibt sich daher ein anderes Bild.

Dass die säuberungspolitischen Maßnahmen der Alliierten nicht ohne Wirkung waren, zeigte zunächst, gewissermaßen im Umkehrschluss, der rasch einsetzende, hartnäckige und von weiten Teilen der Nachkriegsgesellschaft geführte Kampf dagegen – besonders übrigens vonseiten der Kirchen, die als einzige im »Dritten Reich« vermeintlich integer gebliebene Institutionen eine Zeitlang das große Wort in dieser Sache führten. Doch trotz ihrer lauten Töne und ungeachtet aller Etappensiege kamen weder die Kirchenführer noch Politik und Presse aus ihrer moralischen Defensive heraus. Und obgleich die meisten Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst im Laufe der Zeit zurückgenommen und nahezu alle belastenden Entnazifizierungsbescheide nach und nach abgemildert wurden, sodass – neben denen, die ohnehin als »nicht betroffen« galten – tatsächlich ein Heer von harmlos scheinenden »Mitläufern« entstand: Spurlos gingen die Prozeduren an den vormaligen Volksgenossen nicht vorüber, schon gar nicht an denen, die sich einem der mehr als 3,6 Millionen Spruchkammerverfahren hatten unterziehen müssen.

Die Entnazifizierung – als »Denazification« erstes der in Potsdam vereinbarten deutschlandpolitischen »vier Ds« der Siegermächte (neben Demilitarization, Democratization, Decentralization) – hatte den Deutschen zeigen sollen, dass fortan neue Normen galten. Sie war ein Instrument der politisch-moralischen Grenzmarkierung und als solches von nachhaltiger Geltungskraft. Um das zu begreifen, brauchte es nicht einmal die Erfahrung einer teils nur Wochen, mitunter aber auch Monate währenden Internierung; allein die Ungewissheit, wie lange und mit welchem Ausgang man Objekt politischer Überprüfungen war, dürfte vielen Beamten und städtischen Angestellten eine bleibende Erinnerung geworden sein. Für manche wurde daraus vielleicht sogar ein Denkzettel fürs Leben: dass die Selbstberuhigung, »nur meine Pflicht« getan zu haben, nicht als Entschuldigung taugt im Angesicht von offenkundigem Unrecht, mochte es auch »von oben« verordnet gewesen sein.

Selbst das empörte Gerede über den »Kollektivschuldvorwurf«, als den etliche Kritiker schon früh die Entnazifizierung interpretierten, lässt sich als indirektes Eingeständnis lesen, dass den Säuberungsanstrengungen der Alliierten keine ganz unrealistischen Schuldvermutungen zugrunde lagen. In die gleiche Richtung deutete schließlich die Heftigkeit, mit der das Bonner Parlament im Herbst 1950 über die »Liquidation« der Entnazifizierung debattierte, obgleich die Verabschiedung entsprechender Schlussgesetze Ländersache war. Auch wenn die Redner der regierenden Union und der oppositionellen Sozialdemokratie im Bundestag vor den verbalen Ausfällen der rechten Kleinparteien (»nationales Unglück«, »Verbrechen«, »Tumor am deutschen Volkskörper«)4 zurückschreckten – auf ein klares Wort zur Notwendigkeit der stattgehabten Säuberung verstand sich nun niemand mehr. Stattdessen beeilten sich die Vertreter aller Fraktionen, die Erwartungen ihrer Klientel durch Variationen des längst zum Mantra gewordenen Satzes zu bedienen: »Einmal muss doch Schluss sein.«

Wenn es um die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ging, dann waren CDU / CSU und SPD – die einen als neugegründete überkonfessionelle Partei der bürgerlichen Mitte, die anderen als traditionsreiche, zur Mitte strebende Arbeiterpartei – eher getriebene als gestaltende Kräfte. Schon um ihren Status als Volksparteien auszubauen, galt es, den Rechten möglichst wenig Platz zu lassen, die gerade auf diesem Feld mit größter Skrupellosigkeit Kompetenz beanspruchten. Für Adenauer und die Union bedeutete das, die radikalen Ambitionen ihrer kleinen Koalitionspartner, der im Wortsinne reaktionären Deutschen Partei (DP) und des starken rechtsnationalen Flügels der FDP, durch eigene Initiativen in Schach zu halten. Für die SPD ging es darum, ihre Begrenzung auf das klassische Arbeitermilieu zu überwinden und vor allem die tendenziell schon zu Ende der Weimarer Republik an die NS-Bewegung verlorenen jüngeren Arbeiter und späteren Wehrmachtssoldaten durch ostentative Zuwendung zurückzugewinnen. Mittel der Wahl auf diesem Weg war eine gleichsam großkoalitionär ausgestaltete Vergangenheitspolitik, die Generosität gegenüber so gut wie allen bedeutete, die sich nach der »wirren Zeit« als »Entnazifizierungsgeschädigte« oder sonst als Opfer der Besatzungspolitik betrachteten.

Letzteres galt vor allem für jene Deutschen, die in den unmittelbaren Nachkriegsjahren vor den Richtern einer vermeintlichen »Siegerjustiz« gestanden hatten: mehrere Tausend, die von alliierten Militärgerichten, sowie weitere150, die in den zwölf sogenannten Nürnberger Nachfolgeprozessen der Amerikaner als Kriegs- und NS-Verbrecher verurteilt worden waren. Unter diesen gerade anfangs tatsächlich hart Bestraften, zum Teil auch zum Tode Verurteilten waren Partei- und SS-Führer, Wehrmachtsgeneräle, aber auch hochrangige Ministerialbeamte und Juristen, Industriemanager, KZ-Ärzte, Lagerpersonal und lokale Kriegsfanatiker, die auf dem platten Land abgestürzte feindliche Piloten oder Fallschirmjäger gelyncht hatten. Für deren Begnadigung verwendeten sich zunächst wiederum die Kirchen, bald im Verbund mit einer hochprofessionellen Kriegsverbrecher-Lobby aus SS-Juristen und ehemaligen Nürnberger Verteidigern. Die militante Truppe schürte eine Stimmung, der sich mit Ausnahme der Kommunisten keine der im Bundestag vertretenen Parteien entzog. Mit der haltlosen Behauptung, die von den Besatzungsmächten zugelassenen »Lizenzparteien« täten im Kampf um die in den »Kerkern der Alliierten« einsitzenden »Kriegsverurteilten« nicht genug, trieb ein harter Kern von Experten, die selbst mit einem blauen Auge davongekommen waren – darunter der Ex-Diplomat Ernst Achenbach und der vormalige Heydrich-Stellvertreter im Reichssicherheitshauptamt Werner Best –, Regierung und Parlament mit immer neuen Schlussstrich-Forderungen vor sich her: bis hin zum Entwurf einer »Generalamnestie« für »politische Straftaten«.

Vor diesem Hintergrund wird erklärlich, weshalb der Bundestag glaubte, noch im Dezember 1949 ein erstes großes Zeichen setzen zu müssen. Es kam in Gestalt eines von der Alliierten Hohen Kommission nur unter Bauchschmerzen genehmigten Straffreiheitsgesetzes, das sämtliche vor dem 15. September 1949 begangenen Taten amnestierte, die mit Gefängnis bis zu sechs Monaten beziehungsweise bis zu einem Jahr auf Bewährung geahndet werden konnten. Damit waren auch alle »minderschweren« Straftaten aus der NS-Zeit außer Verfolgung gesetzt – bis hin zu Körperverletzungen mit Todesfolge und Totschlag, etwa im Zusammenhang mit den Pogromen im November 1938. Einer weiteren Öffentlichkeit blieben diese Konsequenzen seinerzeit zwar verborgen, die Justiz jedoch verstand die Amnestie sofort als ein verdecktes Signal gegen übertriebenen Eifer bei der Verfolgung von NS-Verbrechen. Die Folge davon war ein rascher Rückgang der Zahl neu eingeleiteter Verfahren. Als dann im Sommer 1954 eine zweite, nochmals weiter gefasste »Bundesamnestie« verkündet wurde, kam es faktisch zu einem Ahndungsstillstand.

Den überzeugten Demokraten in den Großparteien – erwiesenen NS-Gegnern wie Kurt Schumacher, Konrad Adenauer und ihresgleichen – schwebte gewiss nicht vor, im Zuge der Reintegration der vormaligen NS-Parteigenossen auch deren damalige Gesinnung zu rehabilitieren. So war es zweifellos nicht als nachträgliche Billigung ideologischer Erbötigkeit im »Dritten Reich« gemeint, als im Frühjahr 1951 das sogenannte 131er-Gesetz die bereits weit fortgeschrittene »Wiederverwendung« beziehungsweise Versorgung der1945 entlassenen Beamten auffallend großzügig regelte. Aber genau an diesem Punkt lag das Problem: Wie ließ sich vermeiden, dass die Weitherzigkeit der jungen Demokratie gegenüber den (in aller Regel noch nicht so alten) einstigen Funktionsträgern der Diktatur missbraucht würde? Wie konnte man jene »Renazifizierung« des Beamtenapparats verhindern, vor der nicht nur ein paar kritische Intellektuelle warnten, sondern immer wieder auch ausländische Beobachter und sogar die drei Alliierten Hohen Kommissare auf dem Petersberg bei Bonn? Die »Flurbereinigung für die Zukunft«, von der Bundestagspräsident Hermann Ehlers nach der fast einstimmigen Annahme des »Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen« sprach, war keine risikofreie Hypothek.

Was bedeutete die Rückkehr der »Ehemaligen«?

Beginnend mit der Studie über das Auswärtige Amt (AA), hat die zeithistorische Forschung in den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten im Einzelnen herausgearbeitet, wie hoch die zwar nicht bruchlose, aber nach dem Ende der Entnazifizierung weitgehend wiederhergestellte Kontinuität der Funktionseliten in Ministerien, Ämtern und Behörden der jungen Bundesrepublik tatsächlich war. Wer bedenkt, dass bei Kriegsbeginn etwa jeder vierte deutsche Mann der NSDAP angehörte, den wird der zahlenmäßige Nachweis von NS-Belasteten in der Beamtenschaft schwerlich überraschen: kaum irgendwo unter einem Viertel, oft aber eher höher und im Laufe der fünfziger Jahre meist sogar noch ansteigend. Weitaus schwieriger als jede statistische Erhebung gestaltet sich bis heute allerdings die Antwort auf die Frage, was die Präsenz der alten Seilschaften in den Institutionen der neuen Demokratie konkret bedeutete. Um es am Beispiel des1951 wiederbegründeten und von Kanzler Adenauer erst einmal in Personalunion geführten Auswärtigen Amts zu sagen, dessen höhere Beamtenschaft anfangs zu rund einem Drittel aus vormaligen Parteigenossen bestand: Die Wiederbelebung einer nationalsozialistisch inspirierten Außenpolitik lag nicht in deren Möglichkeiten – nach allem, was wir wissen, aber auch nicht (mehr) in ihrer Absicht.

(Continues…)


Excerpted from "Zur rechten Zeit"
by .
Copyright © 2019 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
Excerpted by permission of Ullstein Buchverlage.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

Über das Buch und die Autoren,
Titelseite,
Impressum,
Einführung,
Weil wir das (fast) alles schon mal hatten,
KAPITEL 1,
»Einmal muss doch Schluss sein«,
Die Gegenwart der Vergangenheit in der Ära Adenauer,
Was bedeutete die Rückkehr der »Ehemaligen«?,
Antisemitismus, Auschwitz und die Frage der Verjährung,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 2,
»Antifaschistisch-demokratische Umwälzung«,
Geschichte und politische Kultur in der DDR,
Antifaschismus, oder:,
Lehren ohne Lernen,
Demokratie oder:,
»Plane mit, arbeite mit, regiere mit!«,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 3,
»Widerstand«,
Mobilisierung von rechts in der frühen Bundesrepublik,
»Konservative Revolution« oder:,
Das »Gute« am Nationalsozialismus,
Die »Nationale Opposition« in den fünfziger Jahren,
Der kurze Frühling der NPD,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 4,
»Deutschland ist kein Einwanderungsland«,
Von der Arbeit auf Zeit zum Aufenthalt auf Dauer,
»Kanaken raus«,
Sklavenarbeit im sozialistischen Bruderland,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 5,
»Vergangenheit, die nicht vergehen will«,
Entsorgungsbemühungen seit den Siebzigern,
Die Präsenz der Überlebenden und die Wünsche nach,
»Normalität«,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 6,
»Links-rot-grün verseuchtes 68er-Deutschland«,
Nach Achtundsechzig – nationalistische Gewalt und,
Neue Rechte,
Von den Republikanern zur »selbstbewussten Nation«,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 7,
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«,
Nachwendepogrome,
Mord in Serie,
Anmerkungen zum Kapitel,
KAPITEL 8,
»Wir sind das Volk!«,
Das Erbe von 1989,
»Jetzt wächst zusammen …«,
Anmerkungen zum Kapitel,
Schluss,
»Erinnerungspolitische Wende um 180 Grad«?,
Anhang,
Nachwort,
Zum Weiterlesen,
Abkürzungen,
Zu den Abbildungen,
Empfehlungen,

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews